Valentin Krasnogorov

 

 

 

Drei Schönheiten

Komödie in zwei Akten

 

Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel

 

 

 

 

 

 

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Übersetzung: © Albrecht D. Holzapfel 2015 Jalta/UA, Herrenberg/D

E-Mail:  ruvyk@mail.ru


 

 

Handelnde Personen

Inna

Larisa

Maja

 

Jede der Damen hat die Fünfzig schon lange hinter sich gelassen.

 

Die Handlung spielt in unseren Tagen.

Alle Szenen spielen im Wohnzimmer von Larisas Wohnung.

 

 

Kurzbeschreibung

Drei Freundinnen, einsame Frauen im „goldenen Alter“, beschließen, ihr Schicksal zu verändern und sich Lebensbegleiter zu suchen. Diese warmherzige Komödie überzeugt den Zuschauer davon, dass Jahre kein Hinderungsgrund für die Suche nach Liebe und Glück sind. Drei altersgemäße Frauenrollen, Einrichtung.

 

 

 

 

 

 

 

Erster Akt

Erste Szene

(Geschmackvoll aber bescheiden eingerichtetes Wohnzimmer in Larisas Wohnung. Die Damen sitzen um einen Tisch und spielen Karten. Die Hausherrin Larisa ist eine nette, häusliche Frau, gutmütig, freundlich und friedliebend. Ihr Ehemann, (sie und ihre Freundinnen haben aber tatsächlich keinen), hätte sie denn einen, wäre wohlgenährt, umhegt und vollauf glücklich. Maja ist auffälliger gekleidet, als die anderen, sie ist lebhaft, temperamentvoll, gesprächig und hat offenbar das Interesse zum anderen Geschlecht nicht verloren. Am Verhalten Innas spürt man, dass sie es gewohnt ist, ihre Gefühle zurückzuhalten und sich zu kontrollieren. Die Unterschiede im Charakter haben die Frauen nicht gestört, im Lauf von vielen Jahren eine enge Freundschaft zu bewahren.)

LARISA: (Wirft eine Karte ab.) Sieben.

INNA: (Wirft eine Karte ab.) Bube. (Nach einer Pause.) Maja, bist du eingeschlafen? Du bist dran.

MAJA: Ich bin nicht eingeschlafen. Ich denke darüber nach, warum wir hier sitzen und mit diesen blöden Karten spielen, anstatt unser Leben zu verändern.

INNA: Darüber müssen Larisa und ich nachdenken, aber nicht du. Dein Leben ist doch wunderbar, du arbeitest noch, spielst im Theater.

LARISA: Und übrigens, warum lädst du uns nicht mehr zu deinen Stücken ein?

MAJA: Wollt ihr zum hundertzwanzigsten Mal Tschechov sehen? Oder irgendeine ausländische Schnulze, oder Flüche von der Bühne hören? Das Theater ist so geworden, dass man sich schämen muss, dort zu spielen, deshalb lad ich euch nicht ein.

LARISA: Was denn, gibt´s denn keine normalen Inszenierungen?

MAJA: Nein. Normale sind gerade nicht in Mode.

INNA: Was denkst du denn ausgerechnet jetzt über das Leben nach? Das passt nicht zu dir.

MAJA: Du bist daran gewöhnt, zu denken, dass ich von uns beiden immer fröhlich und gedankenlos bin, und du traurig und ernst. Aber, stell dir vor, denken kannst nicht nur du allein. Mir passiert das auch ab und zu.

INNA: Und, gibt es einen Grund dafür?

MAJA: Nein, keinen. (Schweigt.) Meine Schwester hat mir geschrieben, dass sie wieder geheiratet hat und sehr glücklich ist. Und sie ist um zwei Jahre älter, als ich. Und wir sitzen und spielen Karten. (Wirft alle ihre Karten auf den Tisch.)

LARISA: Ich will auch nicht spielen. (Sammelt die Karten zusammen.) Heute hat Natascha angerufen und gesagt, dass die Enkel gewachsen sind und diesen Sommer schon ohne mich verbringen wollen. Ich weiß einfach nicht, wie ich jetzt ohne sie auskomme.

INNA: Leb endlich auch ein bisschen für dich! Höchste Zeit.

LARISA: Stimmt. Aber ich bin wie eine Blöde daran gewöhnt, für jemanden zu leben.

MAJA: Das heißt, auch du musst irgendetwas im Leben ändern… Na gut, reden wir von etwas anderem. Was habt ihr heute gemacht? Inna hat natürlich gelesen oder ist vor dem Computer gesessen. Sie ist die Fortschrittliche von uns.  Und du, Larisa?

LARISA: Ich hab gekocht.

INNA: Wie immer. Hast du denn keine anderen Beschäftigungen?

LARISA: Nein. Und ich bin auch daran gewöhnt. Für die Kinder, Enkel… Und ich hab gewusst, dass ihr kommt.

INNA: Wozu für uns kochen? Du weißt doch, dass wir auf Diät sind.

MAJA: Ja, ich hab mir fest vorgenommen, abzunehmen. Keinerlei Süßigkeiten.

LARISA: Aber einfach einen Tee werdet ihr doch trinken?

MAJA: Ich weiß, was das bei dir heißt, „einfach Tee“. Nach deinen Torten und Kuchen muss man eine Woche hungern, um wieder in Form zu kommen.

LARISA: Dann eine Tasse Kaffee?

MAJA: Das geht. Unser traditioneller Kaffee mit Klatsch.

LARISA: Ich geh und mach welchen. Ich hab schon alles vorbereitet. (Geht ab.)

INNA: (Zu Maja.) Nun, und was hast du heut gemacht?

MAJA: Was ich heut gemacht hab? (Zuckt mit den Schultern.) Maniküre. (Zeigt ihre Fingernägel mit einer auffälligen Maniküre.) Wie gefällt sie dir?

INNA: Sehr mutig. Ich hab´s gleich bemerkt, als du reinkamst.

MAJA: Man muss Abwechslung ins Leben bringen.

(Larisa kommt herein und bringt ein Tablett mit allerlei Geschirr.)

LARISA: (Gießt Kaffee ein und öffnet die Zuckerdose.) Setzt euch, trinkt!

MAJA: (Schiebt die Zuckerdose zur Seite.) Mir ohne Zucker.

INNA: Mir auch. Larisa, hast du Majas Maniküre bemerkt?

LARISA: Natürlich. Super. Wo hast du sie gemacht?

MAJA: Selbst.

LARISA: Klasse. (Gießt Kaffee ein.) Mach mir auch so eine. Ich will schon lange in einen guten Salon und alles machen lassen, aber das ist so schrecklich teuer geworden.

INNA: Genau. Geld ist ein Fluch.

MAJA: Besonders, wenn man keins hat. Umso mehr bei den heutigen Preisen. Aber ich lass den Kopf nicht hängen. Das Leben ist traurig, dafür ist die Rente lächerlich.

LARISA: Aber du arbeitest doch zusätzlich noch.

MAJA: (Düster.) Arbeiten. Aber ich bin doch Schauspielerin. Schauspieler sind gute Menschen, aber sie haben einen großen Mangel: Den Mangel an Geld. Du stellst dir nicht vor, wie abscheulich es ist, jeden Cent zu zählen.

LARISA: Ich soll mir das nicht vorstellen können? Kann man denn von der Rente leben? Gut, dass ich Krankenschwester war. Ich kann mir etwas dazuverdienen, als Pflegerin, als Masseurin. Aber ich beginne schnell müde zu werden. Ich träume davon, auszuruhen.

INNA: Wenn du nicht arbeitest, brauchst du auch nicht auszuruhen.

MAJA: Richtig. Arbeit ist eine schlechte Angewohnheit, man muss sie sich abgewöhnen.

LARISA: Transport, Medikamente – alles ist furchtbar teuer geworden. Obwohl, all diese Pillen sind nur hinausgeworfenes Geld. Gegen das Alter gibt´s keine Medizin.

MAJA: Larisa, wir haben schon lange verabredete, dieses schreckliche Wort nicht auszusprechen.

LARISA: Ich wollte auch sagen: Gegen die Reife gibt es keine Medizin.

MAJA: Wir haben irgendein bedrückendes Gespräch begonnen. Larisa, anständige Leute trinken Kaffee nicht mit Klatsch, sondern mit Likör. Stell die Flasche auf den Tisch. Wir leben nur einmal.

LARISA: Ich glaub, Likör hab ich keinen.

MAJA: Stell hin, was du hast!

LARISA: (Stellt eine Flasche und Gläschen auf den Tisch.) Hier, Cognac. Den heb ich für dich auf.

MAJA: Du bist einfach wunderbar.

(Die Frauen gießen ein und stoßen an.)

LARISA: Auf uns!

INNA und MAJA: Auf uns!

LARISA: Mädchen, wie viele Jahre sind wir schon befreundet?

INNA: Ich denke, so um die vierzig, wenn nicht mehr.

MAJA: Was für alptraumhafte Ziffern.

LARISA: Erinnert ihr euch, wir saßen genauso zu dritt am Tisch, als wir um die Dreißig waren, und haben wie die Idioten getrauert, dass wir nicht mehr jung sind.

INNA: Ja… Es scheint, als ob es gestern war…

(Die Frauen schweigen, jede in ihre Erinnerungen vertieft.)

LARISA: Sind wir denn wirklich schon … ihr wisst selbst, wie alt? Man glaubt es kaum. Nun sind wir wirklich gealtert.

(Kurze Pause.)

MAJA: Nun gut, Larisa. Jetzt bring auch noch deinen Kuchen, oder was du dort so hast. Wir leben nur einmal.

LARISA: Das hättet ihr schon lange haben können. (Stellt Teller mit Kuchen und verschiedenem Gebäck auf den Tisch.)

INNA: (An Maja.) Du hast doch beginnen wollen, abzunehmen.

MAJA: Das beginnen wir ab der nächsten Woche. Wir haben uns hier versammelt, um uns zu vergnügen und nicht um über Kalorien nachzudenken. (Sie versucht ein Gebäck. Die anderen folgen ihrem Beispiel.) Verdammt lecker!

INNA: Wirklich, lecker. Wie heißt das?

LARISA: Wiener Schnitte.

INNA: Klasse! Übrigens, ich les gerade ein Buch, „Wien im 19. Jahrhundert“.

LARISA: Was für kluge Bücher du liest. Deshalb hast du auch nicht geheiratet.

INNA: (Trocken.) Wirklich? Das wusste ich gar nicht. Danke, dass du das gesagt hast. Ab morgen hör ich auf zu lesen.

MAJA: Sei doch nicht beleidigt, wir sind doch unter uns.

INNA: Und unter uns braucht man auch keine Rücksicht zu nehmen, nicht wahr?

MAJA: Ich hab´s doch nicht bös gemeint. Ich hab einfach gesagt, was ich denke, das ist alles.

INNA: Dann erlaub, dir einen freundschaftlichen Rat zu geben: Wenn du Kuchen isst, sprich nicht, und wenn du sprechen willst, iss lieber Kuchen.

LARISA: (Beeilt sich, den Streit abzuwenden und das Thema zu wechseln.) Inna, und was gibt´s da Interessantes in dem Buch über Wien?

INNA: Ach, vielerlei… Strauß, Hofbälle, die berühmte Schönheit, Fürstin Metternich… Diese Fürstin galt als eleganteste und klügste Frau Europas. Sie wurde einmal gefragt: „In welchem Alter hört eine Frau auf, die Freuden der Liebe zu empfinden?“

MAJA: (Sehr interessiert.) Gute Frage. Und was hat sie geantwortet?

INNA: Sie sagte: „Ich weiß nicht, ich bin erst sechzig Jahre alt.“

MAJA: Richtig! Ich spür auch noch die Freuden der Liebe. Das heißt, ich könnte sie spüren, wenn es einen geben würde, mit dem ich…

LARISA: Ja, das ist unser Problem.

INNA: Euer Problem. Ich komm ausgezeichnet ohne diese Freuden aus.

LARISA: Brauchst du keinen Mann?

INNA: Wie ein Fisch Unterwäsche.

MAJA:  Und das sollen wir dir glauben?.

INNA: Ich hab nicht vorgehabt, euch vom Gegenteil zu überzeugen.

MAJA: Und daran, dass es diese Freuden nicht gibt, sind wir selbst schuld.

LARISA: Sind wir den schuld daran, dass wir weit über die Fünfzig sind?

MAJA: Sag lieber einfach “fünfzig”. Ein rundes Datum merkt sich leichter.

INNA: Aber vielleicht sind es keine fünfzig, sondern neunundvierzig? Wie in den Geschäften? Der Unterschied ist nur ein Euro, aber es erscheint viel billiger.

MAJA: (Geht zum Spiegel und besieht sich kritisch.) Nein, sollen es fünfzig sein. Man muss ehrlich zu sich selbst sein.

LARISA: Die Frage nach dem Alter haben wir entschieden.

MAJA: Jetzt behandeln wir die Frage, wie wir weiterleben möchten. Auf der Welt gibt es noch Männer, die wir glücklich machen könnten.

LARISA: Kann sein, dass es sie irgendwo gibt, aber inzwischen machen sie andere Frauen glücklich.

MAJA: Aber ich sag doch, dass wir selbst schuld sind. Wir haben den Glauben an uns verloren, den Glauben an unsere Weiblichkeit. Wir haben den Wunsch zu gefallen verloren.

INNA: Wovon redest du? Wem gefallen?

MAJA: Vor allen Dingen uns selbst. Und wir haben uns in professionelle Rentnerinnen verwandelt, reden nur von Enkeln und Krankheiten.

LARISA: Und was ist schlecht daran, von Enkeln zu reden?

MAJA: Gar nichts. Das ist sogar sehr gut. Aber Kinder und Enkel – das ist ein Spiel auf ein Tor. Du liebst sie, du hilfst ihnen, du sehnst dich nach ihnen – und sie?

LARISA: Meine Tochter liebt mich. Fast jeden Monat… kommt sie mit den Kindern zum Mittagessen.

INNA: Sehr rührend.

MAJA: Und ich besuche oft meine Mutter. Und wisst ihr warum? Neben ihr fühle ich mich jung!

LARISA: Und Natascha ruft mich regelmäßig an.

INNA: Wenn sie um Geld bitten muss, oder damit du auf die Kinder aufpasst.

LARISA: Stimmt nicht!

MAJA: Larisa, ich kenn deine Tochter seit den Windeln und mag sie sehr. Aber sie hat ihr Leben, und wir sollten unseres haben. Lasst uns also ab dieser Minute ein neues Leben beginnen. Und ich schlage vor, von nun ab über Krankheiten nur noch mit dem Arzt zu reden. Einverstanden?

LARISA: Einverstanden. Ehrlich, ich beklag mich auch gar nicht über die Gesundheit. Nur die Gelenke hier. Stellt euch vor, ich hab neulich Analysen machen lassen…

INNA: (Vorwurfsvoll.) Larisa, wir haben doch vereinbart…

LARISA: Ach, ja… (Verstummt.) Entschuldigt.

MAJA: (Lebensfroh.) Mehr Optimismus, Larisa! Stell dir nur vor, die Gelenke!.. Ich hab auch – Hexenschuss und das ganze medizinische Wörterbuch. Aber das heißt gar nichts. Uns das Requiem zu singen, wäre verfrüht. Wir werden noch leben!

LARISA: Richtig! Wir sind keine achtzehn mehr, aber bisher rieselt auch kein Sand aus uns.

MAJA: Genau. Wir können und wollen noch alles.

LARISA: Bleibt nur Männer zu finden, die noch können und wollen.

INNA: Ich versteh nicht – wollt ihr etwa im Ernst heiraten?

LARISA: Nun, heiraten – nicht heiraten, aber, eigentlich, warum auch nicht?

INNA: Jemand hat richtig gesagt: „Fürs Glück braucht die Frau einen Mann. Fürs Unglück ist ein Ehemann völlig ausreichend.“

MAJA: Wie kommst du denn darauf, dass wir ausgerechnet einen Ehemann suchen? Ich bin auch nicht gegen das, was heute als Freund bezeichnet wird.

LARISA: Nein, ich bin mit einem unbeständigen Ehemann nicht einverstanden. Ich bin ein häuslicher und altmodischer Mensch. Es sollte ein Ehemann sein, wie bei normalen Leuten.

INNA: Also, der Ehemann wird auf dem Sofa liegen, und du wirst am Herd stehen.

LARISA: Na und? Ich hab nichts dagegen, am Herd zu stehen, wenn es für jemanden ist und nicht nur für mich. Ich weiß doch, was das für ein Leben ist, wenn es im Haus keine männlichen Hände gibt. Keiner, der auch mal einen Nagel einschlagen könnte.

MAJA: Männliche Hände werden nicht nur für Nägel gebraucht.

INNA: Entweder seid ihr schon betrunken, oder verrückt geworden. Weshalb geht es euch jetzt schlecht?

MAJA: Gefällt es dir denn, dich ins kalte Bett zu legen?

INNA: Ich hab eine warme Decke. Und falls es plötzlich kalt wird, schalt ich meine Heizdecke ein.

MAJA: Und – hilft´s?

INNA: (Betroffen.) Manchmal.

LARISA: Ich weiß nicht, wie´s dir geht, Inna, aber mir gefällt es nicht, allein zu sein. Daheim allein, auf der Straße allein, zu Gast allein…

MAJA: Im Bett allein…

LARISA: Ja, und im Bett allein.

INNA: Ihr bezieht alles aufs Bett.

LARISA: Die Sache ist eine andre. Versteh doch, die Frau ist von Natur aus ein Hund. Sie braucht ein Herrchen. Nicht, um von ihm Kommandos zu empfangen, sondern um sich an ihn zu schmiegen. Um auf jemanden zu warten, sich nach jemandem zu sehnen…

INNA: Das heißt, du bist für die Ehe geschaffen. Und ich für das freie Leben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie in meiner Wohnung ein fremder Mensch herumläuft, mit seinen Vorlieben, Gewohnheiten und Tagesabläufen, dass er trinkt, raucht, Fußball sieht, sich mit mir in ein Bett legt, mit mir wegen irgendetwas unzufrieden ist, irgendetwas von mir fordert, mir irgendetwas nicht erlaubt…

LARISA: Inna, ich stimm dir zu: Die Lebensweise zu verändern, dazu noch in unserem Alter, ist nicht einfach. Aber allein ist es doch so langweilig!

INNA: Mir, zum Beispiel, ist überhaupt nicht langweilig. Es gibt Fernsehen, Bücher, Theater, Museen, Konzerte, Computer, Internet… Ich hab euch. Zudem verdiene ich noch dazu als Repetitor. Ich hab einfach keine Zeit, mich zu langweilen. Und weshalb sollte es mir lustiger sein, wenn ich nicht für einen Menschen, sondern für zwei koche?

LARISA: Und du fühlst dich nicht einsam?

INNA: Was nennt ihr Einsamkeit? Das nicht vorhanden sein von Streit, Szenen und Skandalen? Ich hab keine Sehnsucht danach. Und wenn ich mich einsam fühlen sollte, dann schaff ich mir einen Hund oder eine Katze an.

MAJA: Eine Katze hat viele Vorzüge, aber einen Mann kann sie nicht ersetzen.

LARISA: Zudem, Inna, das Leben ist zu zweit viel ökonomischer. Ein Fernseher zu zweit, ein Kühlschrank, und überhaupt – eine Wohnung.

MAJA: Und ein Bett.

LARISA: Auch das ist nicht weniger wichtig.

INNA: Und da wären wir dann auch wieder…

MAJA: Ich wiederhole extra das Wort „Bett“, um Inna zu ärgern. Davon geht sie an die Decke.

INNA: Ihr seid es doch, die beim Gedanken daran an die Decke geht. Ich kann einfach nicht begreifen, wie ihr in unserem Alter immer noch an diesen Blödsinn denkt.

LARISA: Gerade in unserem Alter braucht man einen Mann. Wer, wenn nicht er, hilft ab und zu, den Rücken einzureiben, eine Kompresse anzulegen oder in die Apotheke zu gehen?

INNA: Ich versteh nicht, brauchst du einen Mann oder einen Krankenpfleger?

LARISA: Wozu einen Krankenpfleger? Ich bin selbst Krankenschwester. Ich brauch einen Ehemann.

INNA: Dann sag das auch so!

LARISA: Das sag ich auch. Versteh doch, es gibt solche Seiten des Lebens, wo ein Mann durch nichts und niemanden zu ersetzen ist.

MAJA: Sehr wichtige Seiten, übrigens.

INNA: Vielleicht hören wir jetzt auf, von Männern zu reden?

MAJA: Gut. Hören wir auf. (Nach kurzem Schweigen.) Ich will dich nur fragen: Was weißt du eigentlich von Männern, um so auf sie sauer zu sein. Schließlich und endlich sind nur wenige schlechter, als Frauen.

INNA: Ich bin nicht sauer auf sie. Ich bin sauer auf euch. Bildet ihr euch denn tatsächlich ein, dass es euch gelingt, einen Ehemann zu finden?

MAJA: Warum nicht? Früher hab ich Männer ohne besondere Schwierigkeiten gefunden.

INNA: Das wissen wir. Ich hab mich dreimal auf deinen Hochzeiten amüsiert. Und dich genau so oft bei den Scheidungen getröstet.

MAJA: Danke, dass du mich an die genaue Zahl erinnert hast. Sonst hätte ich sie vergessen können.

INNA: Wenn du von genauen Zahlen redest, dann meinst du natürlich nur deine offiziellen Ehen. Die inoffiziellen zu zählen wird schwierig sein, denke ich.

MAJA: Ach, ach, ach! Unsere Vestalin entrüstet sich. Wie kannst du nicht begreifen, dass jetzt alles anders wird. Und zum vierten Mal zu heiraten ist einfacher, als das erste. Erfahrung sammelt sich an.

INNA: Deine Erfahrung hätte dich lehren können, dass jede Ehe schnell zerbricht. Ein sehr kurzer Augenblick des Rauschs und eine sehr lange Periode der Ernüchterung.

MAJA: Sogar ein kurzer Rausch ist die Sache wert.

INNA: Höchste Zeit, nüchtern zu werden. Erinner dich, wie du dich mit drei Scheidungen gequält hast.

MAJA: Dafür gab es auch dreimal Flitterwochen. Schon für einen davon war es wert, ein bisschen zu leiden. Besonders erinner ich mich an die erste Nacht der zweiten Heirat. Das war im Hotel…

INNA: Maja, die Erinnerungen an deine Hochzeitsnächte interessieren mich überhaupt nicht.

MAJA: Sehr gut! Dann erzähl ich dir alles genau und offen. Das war im Hotel, wir hatten ein bisschen getrunken, und ich konnte einfach die Knöpfe seines Hemds nicht finden…

INNA: Offenbar habt ihr nicht nur ein bisschen getrunken.

MAJA: … Und er konnte den Reißverschluss meines Kleids nicht finden…

INNA: Ich stell mir vor, was weiter passiert ist, du brauchst nichts zu erzählen.

MAJA: Gut, ich werd nicht. Und als er ihn endlich gefunden hatte, konnte er ihn nicht aufmachen. Und dann, weißt du, was er danach gemacht hat?

INNA: Um Gottes Willen, verschon uns von deinen intimen Einzelheiten.

MAJA: Mit einem Wort, das war einfach super.

INNA: Kein Zweifel.

MAJA: Ehrlich, drei Wochen später haben wir uns getrennt, insofern waren die Flittermonat etwas verkürzt. Aber ihr könnt sicher sein, die Monatsnorm haben wir erfüllt… (Fügt nicht ohne Bitternis dazu.) Aber das ist lange her.

INNA: Ich hab´s geahnt, dass es nicht gestern war.

MAJA: Aber trotzdem ist es angenehm, sich daran zu erinnern. Solche Erinnerungen ermuntern zu entschlossenen Taten. Ich bin überhaupt ein Mensch der Tat.

INNA: Sagt mal, sind wir denn so einsam? Wir gehen doch auch zusammen ins Theater, und rufen uns fast jeden Tag an.

MAJA: Ein großer Trost. Ich wusste gar nicht, dass ein Telefonanruf einen Mann ersetzen kann.

INNA: Das reicht, über Männer zu reden. Die sind für uns in ferner Vergangenheit geblieben.

MAJA: Red du mal nur für dich selbst. Bei mir persönlich steht alles bevor. Ich hab nicht vor, die Hände in den Schoß zu legen.

INNA: Also, ich kapier einfach nicht, was mit euch passiert ist. Schweigen, schweigen, und plötzlich: „Wir wollen einen Mann!“

LARISA: Du hast doch selbst damit angefangen. Wer hat das Gespräch auf die „Freuden der Liebe“ gebracht?

INNA: Aber das war doch die Fürstin Metternich!

MAJA: Und weil wir keine Fürstinnen sind, empfinden wir auch schon nichts mehr?

INNA: Ich hab einfach keine Worte.

MAJA: Inna, beruhig dich. Ich zieh dich doch nur auf. Die Hauptsache sind natürlich nicht die Freuden der Liebe, oder das Bett, obwohl auch das nicht schadet. Sache ist die, dass wir unser Leben von Grund auf und radikal ändern müssen. Andernfalls lähmen uns der Alltag, Fernsehserien und Krankenhäuser. Was ist schlecht daran, wenn wir uns hier nicht zu dritt, sondern zu sechst treffen?

INNA: Natürlich ist dabei nichts Schlechtes, aber…

MAJA: Und dazu muss man handeln. Man darf das ewige Streben der Frau nicht vergessen: Den Männern zu gefallen.

INNA: Mit anderen Worten, du hast vor, sie zu angeln. Aber das sich doch einfach unanständig.

MAJA: Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Der Begriff Anstand existiert jetzt nicht mehr.

LARISA: Maja hat Recht. Wenn sie uns, warum auch immer, nicht angeln wollen, dann muss man das selber machen.

INNA: Ich kann die Frauen nicht verstehen, die Männern nachjagen. Man braucht doch das Selbstwertgefühl der…

MAJA: Wir haben ja auch nicht vor, zu jagen. Wir erlauben einfach den Männern uns zu jagen.

INNA: Die warten doch alle nur voller Ungeduld auf unsere Erlaubnis. Sonst hätten sie schon längst angefangen.

MAJA: Inna, Hab keine Angst, wir verstoßen nicht gegen die Spielregeln. Wir wenden unsere weiblichen Methoden an: Netze auswerfen, Fallen stellen…

INNA: Aha, das heißt, dass ihr trotzdem selbst angelt.

MAJA: Warum denn nicht? Ohne Aufwand fängst du auch keinen Fisch im Teich, nicht zu reden von einem Ehemann.

INNA: Larisa, räum den Cognac weg, sonst betrinkt ihr euch noch so, dass ihr nicht mehr wisst, wovon ihr sprecht. Ich schäm mich für euch.

MAJA: Wir verstehen, du bist Lehrerin und das ganze Leben daran gewöhnt, irgendjemanden zu erziehen. Aber wir haben daran keinen Bedarf.

INNA: Erziehen? Dich? Das hatte ich nicht vor. Ich weiß doch, dass das zwecklos ist.

MAJA: Na, wunderbar. Weißt du, warum du dich aufregst? Weil du dasselbe denkst, wie wir, aber Angst hast, es zuzugeben. Wir sind nur offener, als du.

INNA: Trotz deiner ganzen reichen Vergangenheit habe ich dich für eine ordentliche Frau gehalten. Ich bedaure, dass ich mich getäuscht habe.

MAJA: Kann sein, dass ich nicht ordentlich bin, aber eine Frau. Aber du hast in dir die Frau vollkommen unterdrückt und bist absolut geschlechtslos geworden. Die Fleischwerdung einer langweiligen Wohltäterin. Jungfrau von Orleans.

INNA: Wenn ich dich mag, dann deshalb, weil du nie die Gelegenheit auslässt, einem Menschen ein gutes Wort zu sagen und seine Stimmung zu heben.

MAJA: Und ich dich für die erstaunliche Fähigkeit, ohne jeglichen Anlass tödlich beleidigt zu sein.

INNA: Kennst du die fernöstliche Weisheit: „Wenn du sprichst, dann sollen deine Worte besser als Schweigen sein“.

MAJA: Also, dann schweig. Dein andauernder Pessimismus geht sehr auf die Nerven.

INNA: Optimismus, besonders in unserem Land und in unserer Zeit ist ein Anzeichen von Dummheit.

MAJA: Wenn es dir nicht gefällt, mit Dummköpfen zusammenzusitzen, dann geh nachhause und red mit deiner Katze.

LARISA: (Versucht den Streit zu beenden.) Aber Mädchen!..

INNA: (An Maja.) In deinem Alter wäre es an der Zeit, klüger zu werden

MAJA: Und dafür bist du exakt, wie ein Uhrwerk.

INNA: Das reicht, ich hab genug gehört. (Steht auf und nimmt ihre Handtasche.) Auf Wiedersehen. Ich hab hier nichts mehr zu tun.

LARISA: (Besorgt.) Halt, wo gehst du hin? Maja! Inna! Jetzt habt ihr gestritten und euch ereifert, jetzt beruhigen wir uns. Inna, bleib stehen! (Versperrt ihr den Weg.) Bleib, sag ich dir!

INNA: Wozu? Damit du mich an die Wand hängst und ich die Zeit anzeige? Und wenn es sein muss, kann ich auch ticken.

LARISA: Red keinen Unsinn.

MAJA: Warum „Unsinn“? Das sind die ersten gescheiten Worte, die sie den ganzen Abend gesagt hat.

LARISA: Maja, na, du bist gut! Inna, leg die Tasche weg! Setzt euch beide! (Setzt Inna.) Sitzt, und ich koch inzwischen Tee. (Geht in die Küche hinaus.)

(Pause.)

MAJA: Inna, ich will sagen… Es tut mir leid.

INNA: (Schaut zur Seite.) Mir auch.

MAJA: Du kennst mich doch… Ich red schneller, als ich denk.

INNA: Ich hab auch mehr gesagt, als nötig war.

(Larisa tritt ein.)

LARISA: (Erhebt das Glas.) Ich will unseren traditionellen Toast aussprechen.

MAJA: Und welchen genau? Wir haben viele davon.

LARISA: Trinken wir aus und vergessen wir alles!

INNA: Genau das wollten wir vorschlagen.

(Sie trinken.)

LARISA: Nun, habt ihr es wirklich vergessen?

INNA: Aber es war doch gar nichts.

LARISA: Sehr gut. Dann also, werden wir uns Ehemänner suchen, oder nicht?

INNA: Mädchen, schaut in den Spiegel. Viel zu spät.

MAJA: Je später wir heiraten, desto weniger Zeit bleibt uns, es zu bedauern.

LARISA: Inna, wenn du nicht willst, zwingt dich auch niemand.

MAJA: Inna, du bist viel zu klug und deshalb auch Pessimistin. Und Larisa und ich sind dumme Frauen, uns gelingt alles. Wir denken nicht über Schwierigkeiten nach, sondern krempeln die Ärmel hoch und nehmen die Sache in die Hand.

LARISA: Womit beginnen wir?

MAJA: Zuerst müssen wir uns in Ordnung bringen.

LARISA: Was meinst du damit?

MAJA: Einfache Dinge: Frisör, Massage, Masken, Cremes, Kosmetik…

LARISA: Das ist teuer.

MAJA: Wir können sparen. Ich mach dir die Maniküre, und du mir die Massage.

LARISA: Einverstanden.

MAJA: Es wäre auch nicht schlecht, morgens Gymnastik zu machen.

LARISA: Das ist nichts für mich.

MAJA: Für mich auch nicht. Aber wir müssen uns wenigstens einen, zwei Monate lang zwingen, solange wir nicht heiraten. Danach können wir es aufgeben.

LARISA: (Geht zum Spiegel.) Ja, jetzt bin ich nicht mehr jene von damals… Erinnert ihr euch, was ich für eine Schönheit war?

MAJA: Du bist auch heute nicht schlecht.

LARISA: Ach was. Von all dem ist nichts geblieben.

MAJA: (Besieht sich ebenfalls im Spiegel.) Ja, eine grundlegende Renovierung schadet nicht. Oder wenigstens eine kosmetische.

LARISA: Dazu braucht man ganz schön Geld.

MAJA: Wenn ich Geld hätte, wär ich schon heut´ Abend verheiratet. Im Grunde genommen brauch ich nur ganz wenig, um gut auszusehen. Gesicht und Hals verjüngen, Bauch liften, Hüften schmälern… Und noch den Rücken auskurieren, dann bin ich auf der Höhe.

INNA: Kurz gesagt, du willst wieder eine Dreißigjährige werden. Aber Wunder geschehen nicht.

MAJA: Wunder geschehen, man muss nur daran glauben. (Besieht sich weiter im Spiegel.) Was denkt ihr, steht mir diese Haarfarbe? Ich hab so oft die Haarfarbe gewechselt, dass ich mich nicht mehr daran erinner, was für eine ich im Original bin, Blondine oder Brünette.

INNA: Mir scheint, du bist jetzt eine Graue.

MAJA: Aber keine Spur! Wie kommst du darauf?

INNA: Jedenfalls, als ich dich im letzten Jahr im Krankenhaus besucht hab, warst du völlig grau.

MAJA: Blödsinn. Ich hab damals einfach die Haare grau gefärbt. Und mir stand das sehr.

INNA: Wenn dir grau gefällt, hör auf, dich für Farbe zu verausgaben.

LARISA: (Vor dem Spiegel.) Aber ich werd mich färben. Helle Haare verjüngen.

INNA: Bei euch drehen sich die Gedanken jetzt nur um eins: Wie den Männern zu gefallen.

MAJA: Nur diese Gedanken zwingen die Frau dazu, in Form zu sein.

INNA: Und ihr habt daran gedacht, wo ihr in eurem Alter Kavaliere finden könnt?

LARISA: Wenige Geschiedene, was denn? Oder Wittwer?

INNA: Die haben euch sehr nötig. Männer unseres Alters suchen sich keine Gleichaltrigen, sondern jüngere Mädchen.

LARISA: (Zu Inna, mit einiger Sorge.) Willst du sagen, dass ein Mann, mit dem wir rechnen können, um zehn - fünfzehn Jahre älter sein wird, als wir?

INNA: Mindestens.

MAJA: Kann man denn so einen noch Mann nennen?

INNA: Nun, wenn ihr euch Frauen nennt, warum ihn dann nicht Mann nennen?

MAJA: Eine Frau ist in jedem Alter eine Frau. Aber ein Mann - das wisst ihr selbst.

INNA: Und sogar so einen zu finden wird nicht einfach sein.

MAJA: (Energisch.) Kein Problem, das schaffen wir. Man muss nur an sich glauben.

INNA: Ich glaube sehr an dich, und nicht weniger an Larisa. Aber trotzdem, wo genau werdet ihr sie suchen?

MAJA: Wo´s beliebt.

INNA: Was heißt „wo´s beliebt“. Werdet ihr auf Tanzveranstaltungen gehen? Euch auf den Höfen an die Dominospieler heranschleichen? Oder in Kneipen hinein schauen, ob es dort nicht einen freien Platz an einem Tischchen gibt?

MAJA: Warum ausgerechnet in Kneipen? Man kann sich im Theater kennenlernen.

INNA: Was für ein Mann geht denn in diesem Alter ins Theater, dazu noch alleine? Und wirst du dann durch die Reihen gehen und fragen: „Meine Herren, gibt es vielleicht hier einen alleinstehenden Mann? Möchte er sich vielleicht mit mir bekannt machen?“

LARISA: Nicht wenige Rentner sitzen auf Bänkchen auf den Plätzen. Man kann dazu gehen, sich daneben setzen, ein Gespräch anfangen…

INNA: Wenn er das Hörgerät nicht vergessen hat. Meine Liebe, wenn er schon mit dem Stock auf der Bank sitzt, wozu brauchst du ihn dann noch? Und wo hast du denn heutzutage Männer auf Bänkchen gesehen? Es gibt dort keine.

LARISA: Wo sind sie denn, deiner Meinung nach?

INNA: Dort, wo auch die Frauen sind, - vor dem Fernseher. Jeder bei sich daheim. Außerdem besteht das Problem nicht nur darin, einen zu finden, sondern dass er auch zu dir passt.

MAJA: Herzensdinge waren in der Jugend wichtig. Aber jetzt wissen wir, dass man mit jedem beliebigen Mann leben kann. Sie unterscheiden sich letzten Endes nur wenig.

INNA: Man darf nicht den heiraten, mit dem man leben kann. Man muss den heiraten, ohne den man nicht leben kann!

LARISA: Du Idealistin. Aber in der Praxis muss man den heiraten, den man findet.

MAJA: Umso mehr, als dich niemand daran hindert, zu heiraten und trotzdem weiter zu suchen.

INNA: Ich persönlich bin nicht in der Lage, mich an jeden daher Gelaufenen zu hängen.

LARISA: Lieber sich an irgendjemanden zu hängen, als sich einfach aufzuhängen.

MAJA: Ich versteh nicht, Inna, warum du aus einer einfachen Bekanntschaft ein Problem machst. Früher haben wir uns doch auch bekannt gemacht, und wie einfach! Und jetzt haben wir noch mehr Erfahrung.

LARISA: (Nicht besonders überzeugt.) Erfahrung haben wir mehr… Aber Erfahrung stellt sich immer ein, wenn es schon zu spät ist, sie einzusetzen.

INNA: (An Maja.) Interessant, wann du dich leicht bekannt gemacht hast?

MAJA: Nun… Zum Beispiel, als ich am Institut studiert habe…

INNA: Na und, werd Aufsicht im Studentenheim, schaust dir einen Studenten aus, angelst ihn.

MAJA: Wenn man dich hört, bleibt nur eine Variante: Einen Mini anziehen und auf den Strich gehen.

INNA: Dann eher noch ins Altenheim.

LARISA: Wir sind in einem ungünstigen Alter: Auf den Strich ist es schon zu spät und ins Altersheim noch zu früh.

MAJA: Was sollen wir denn tun? Doch nicht an jedem Laternenpfahl eine Anzeige aufhängen: „Will heiraten“.

INNA: Wartet mal, wartet… Das ist eine Idee!

LARISA: Was meinst du?

INNA: Vielleicht habt ihr am Ende doch recht. Wollt ihr euer Schicksal beeinflussen, dann handelt. Wie sagte Balzac, „Wer Millionen such, findet sie sehr selten. Dafür findet der sie nie, der sie nicht sucht.“ Also, sucht eure Millionen, und ich helf euch dabei.

LARISA: Was denn, schlägst du tatsächlich vor, Anzeigen an Pfosten zu kleben?

INNA: Weshalb an Pfosten? Man muss mit der Zeit Schritt halten. Es gibt Internet.

LARISA: Internet? Ich hab keine Ahnung, wie man damit umgeht.

INNA: Macht euch keine Sorgen, ich mach alles an eurer Stelle: Veröffentliche eine Anzeige, suche Kandidaten aus, beginne einen Briefwechsel mit ihnen... Euch bleibt nur, zum Rendezvous mit ihnen zu kommen und sie zu bezaubern.

LARISA: Und du glaubst, dass es solche gibt, die in dem Alter Internet benutzen?

INNA: Natürlich. Und wenn nicht sie, dann ihre Kinder und Enkel, die endlich ihren Vater oder Großvater unterbringen wollen.

MAJA: (An Inna.) Na gut, das kann man ja mal versuchen. Wähl nur die Kandidaten nicht nach deinem Geschmack aus, sondern nach unserm. Ich brauche erstens einen Mann, der ein Mann ist, zweitens…

INNA: (Unterbricht sie.) Keine Sorge, ich kenne deine Vorlieben. Hauptsache - die Freuden der Liebe.

MAJA: Nicht ganz, aber das auch.

LARISA: Mich überzeugt diese Idee irgendwie nicht. Im Vorbeigehen, ohne ihn in die Hand zu nehmen, kauf ich nicht mal einen Staubsauger. Ich muss eine Sache auf jeden Fall mit meinen Händen berühren.

MAJA: Zuerst find die Sache und dann berühr.

LARISA: Ich hab Angst vor Leuten aus Anzeigen. Zurzeit ist alles voller Heiratsschwindler. Bevor du so einen ins Haus holst musst du zuerst alle Wertsachen verstecken. Die kommen, schauen sich alles an und rauben dich aus.

INNA: Larisa, übertreib nicht. Das Risiko bei einer Bekanntschaft über das Internet ist genauso groß, wie im richtigen Leben. Außerdem, bevor du einen Menschen nicht gut kennst, brauchst du ihn auch nicht ins Haus einzuladen. Die ersten Treffen macht man im Café oder im Park. Zweitens ist das Internet auch deshalb gut, weil man weder seinen richtigen Namen noch die Adresse nennen muss. Nimm dir einen beliebigen Decknamen, zum Beispiel, „Rose“, „Vergissmeinnicht“, oder „Schlanke Eberesche“ und schreib deinen Männern so viel du willst, solange du kein Vertrauen zu ihnen spürst.

LARISA: Das nimmst am besten du auf dich.

INNA: Kein Problem, ich hab doch gesagt, dass ich helfe.

LARISA: Und trotzdem, lieber aus Liebe heiraten.

MAJA: Ich hab dreimal aus Liebe geheiratet, und werd diese Dummheit nicht mehr wiederholen. Das rat ich auch dir.

LARISA: Denkst du?

MAJA: Sicher. Und außerdem hat noch keiner ein besseres Mittel gegen Liebe erfunden, als Heirat.

LARISA: (An Inna.) Nun gut, einverstanden.

INNA: Also dann, gleich zur Sache. (Holt aus der Handtasche Papier und Kugelschreiber.) Was werden wir in den Anzeigen schreiben? Maja, beginnen wir mit dir. Diktier!

MAJA: (Verlegen.) Was diktieren?

INNA: Ich weiß nicht… Irgendwas Nettes, Lustiges… Sonst sind sich neun von zehn Anzeigen ähnlich wie ein Ei dem anderen.

MAJA: Nun… Gut… Schreib: „Junge, anziehende Frau…“

INNA: Na, du machst vielleicht Spaß… Wenn dich ein Mann beim Treffen sieht, denkt er, dass nicht die Braut, sondern deren Mutter gekommen ist. Oder Großmutter.

MAJA: Was soll ich denn deiner Meinung nach schreiben? „Alte Schachtel sucht Mann, um sich gemeinsam von Hexenschuss zu kurieren“?

LARISA: Maja, Inna hat Recht. Es lohnt nicht, sich in den Anzeigen schöner und jünger darzustellen, als wir sind, es kommt eh alles ans Licht, wenn sie uns sehen.

MAJA: Vielleicht schaffen sie es nicht, bis zur Hochzeit alles herauszufinden.

LARISA: Du weißt doch, ich mag es, die Wahrheit zu sagen.

MAJA: Ich mag es auch, die Wahrheit zu sagen. Aber nicht die ganze, nicht immer und nicht allen. Zuerst muss man heiraten und dann die Wahrheit sagen. So machen es alle.

INNA: Die Schwierigkeit besteht nicht darin, einen Ehemann zu finden, sondern ihn zu behalten.

MAJA: Macht nichts, für lange brauchen wir schon nichts mehr.

INNA: Also gut, diktier, was du willst. Mir ist es letzten Endes egal.

MAJA: Schreib: „Jugendliche, anziehende Frau…“ Ich hoffe, dass du gegen „jugendlich“ nichts hast.

INNA: Nichts. Was weiter?

MAJA: ( Stockend.) Kann ich zuerst ein bisschen überlegen?

INNA: Bitte. Larisa, auf geht´s, dann du solange.

LARISA: (Verlegen.) Nun, ich weiß nicht…

INNA: Auf geht´s, keine Angst! Mit deinen Worten. So, dass ein Mann davon angezogen wird.

LARISA: Was kann ein Mann wollen?

MAJA: Und du bist so alt geworden und weißt es nicht?

LARISA: Was denkt ihr, über Größe und Gewicht schreiben? Man sagt, ein Mann im Alter liebt vollschlanke Frauen. Damit alles an ihnen ist.

MAJA: An mir ist alles. Sogar mehr, als nötig. Ich kann davon abgeben.

LARISA: Männer lieben auch, wenn daheim alles in Ordnung ist.

MAJA: Und dabei die ganze Arbeit auf uns abwälzen. Außerdem mögen sie trinken, Seitensprünge, grundlos beleidigt sein, endlos streiten und so weiter und so weiter.

INNA: Stopp! Im Gegensatz zu euch bin ich keine Spezialistin in Sachen Männer und weiß nicht, was sie lieben, aber dafür weiß ich, was sie nicht lieben. Zum Beispiel, Frauen, die zu viel klatschen.

MAJA: Anspielung kapiert. Kehren wir zur Tagesordnung zurück. Larisa, diktier deine Anzeige.

LARISA: (Wählt, ohne sich zu beeilen, die Worte aus.) „Ruhige, häusliche, fürsorgliche Frau, fähig, im Haus Wärme und Gemütlichkeit zu schaffen, möchte einen Mann um die Sechzig heiraten.“ Das ist alles.

INNA: Sehr gut. Nicht fröhlich und nicht lustig, aber gut. Nur die Heirat brauchst du nicht zu erwähnen. Das schreckt Männer ab.

LARISA: Und was dann?

INNA: Nun, etwas in der Art „möchte einen Mann für eine feste, dauerhafte Beziehung kennen lernen“. Oder „will ihr Schicksal mit einem interessanten Mann verbinden“. Den Text arbeite ich noch aus. Und jetzt, wie du ihn haben willst?

LARISA: Nun, ich möchte, dass er gesund, gutmütig, klug und kultiviert ist, gut verdient… Und dass er ein Mann ist.

INNA: Nicht kleinlich. Und warum nicht noch hinzufügen „jung, großgewachsen, schön und Nichttrinker“?

LARISA: Ja, und?

INNA: Naiv, zu denken, dass so ein Mann existiert, ungebunden und wartet nur auf deine Anzeige.

LARISA: Aber die wichtigsten Qualitäten sollte er doch haben.

INNA: Dann heirat gleich mehrere! Einer ist gutmütig, der andere kultiviert, der dritte kräftig, der vierte Nichttrinker und so weiter.

MAJA: Kluge Frauen machen das auch so. Sie beschränken sich nicht auf einen Mann.

LARISA: Ich will einen, aber einen guten.

MAJA: Ich auch, vielleicht will ich einen gut versorgten Ehemann, ein schönes Leben, Restaurants und schicke Kurorte. Das heißt, all das, was ich mein ganzes Leben lang nicht gesehen hab. Aber, da ich weiß, dass das nicht sein kann, werde ich auch keine wählerische Braut spielen. Soll kommen, der da kommt.

MAJA: Muss man ein Foto beilegen.

INNA: Wie du willst.

MAJA: Ich hab ein Foto, auf dem ich vor meiner Hochzeit bin.

INNA: Vor welcher? Falls vor der letzten, dann kann man dich noch einigermaßen erkennen.

LARISA: Und ich hab gerade daran gedacht, ob mich der Ehemann nicht betrügen wird?

MAJA: Natürlich wird er. Er kann doch nicht sein ganzes Leben lang mustergültig sein!

LARISA: Aber das ist schrecklich!

MAJA: Warum? Ich persönlich hab nichts dagegen, wenn irgendein Ehemann seine Frau betrügt, falls er das mit mir tut. Und überhaupt, wenn alle Männer treu wären, dann wäre das Leben sehr langweilig. Mit wem würden wir dann Affären beginnen?

INNA: (Unerwartet seriös.) Denkst du, eine Affäre mit fremden Männern „anzufangen“, um deinen Ausdruck zu benützen, ist so angenehm?

MAJA: Warum nicht? Was ist denn dabei?

INNA: Nichts.

LARISA: Ich werd nicht ruhig schlafen, wenn ich weiß, dass mir mein Ehemann nicht treu ist.

MAJA: Dann bemüh dich, das nicht zu wissen, und du wirst ruhig schlafen.

INNA: Larisa, meiner Meinung nach ist es ein bisschen verfrüht, sich über die Untreue eines noch nicht existierenden Ehemanns Sorgen zu machen.

LARISA: Aber ihr wisst doch, was mit mir passiert ist. Ich hab mit zweiundzwanzig geheiratet, und mein Mann hat mich geliebt – ihr stellt euch nicht vor, wie! Es schien fürs ganze Leben! Und dann hat ihn mir irgendeine Abschlepperin weggenommen.

MAJA: Nicht immer sind die, die einen Ehemann wegnehmen Abschlepperinnen. Ich hab meinen zweiten Ehemann auch seiner dritten Ehefrau weggenommen, aber ich hoffe, dass ihr mich nicht für eine Abschlepperin haltet.

LARISA: Und als er nach ein paar Monaten gebeten hat, zu mir zurückzukommen, da hab ich Närrin ihn nicht hereingelassen. Und jetzt schreib ich Anzeigen. Deshalb will ich nicht nochmal mit Untreue zu tun haben.

INNA: Du regst dich umsonst auf. Mit dem Alter vergeht dieser Nachteil bei den Männern.

LARISA: Denkst du?

INNA: Natürlich. Sie werden… weiser.

LARISA: Wenn man nachdenkt, dann brauchen Männer eine Ehe eher, als wir. Wir kochen für sie, waschen, geben Medikamente und alle anderen dreiunddreißig Vergnügen.

MAJA: Und gerade wegen dieser dreiunddreißig Vergnügen.

LARISA: Da kannst du von ihnen lange darauf warten.

MAJA: Und was ich mir gedacht hab: Vielleicht reicht uns eine Anzeige? Auf sie können doch zwanzig Leute antworten. Uns dreien reicht das.

INNA: Zwei. Ich bin einverstanden, zu helfen, aber selbst werd ich euer Spiel nicht spielen.

MAJA: Umso besser. Die Auswahl für Larisa und mich wird breiter.

INNA: (Denkt eine Weile nach und trifft eine Entscheidung.) Also: Ich werd überhaupt nichts schreiben.

LARISA: (Erschreckt.) Willst du uns nicht helfen?

INNA: Nein, warum denn? Ich denke einfach, dass es besser ist, mit den Anzeigen der Männer zu arbeiten. Davon gibt es im Internet wahrscheinlich tausende. Ich wähle passende Kandidaten aus, beginne mit ihnen einen Briefwechsel, prüfe, was das für Leute sind und serviere sie euch auf dem Tablett.

LARISA: Du bist eine wirkliche Freundin! Das hab ich immer gewusst.

MAJA: Und ich geh inzwischen selbständig auf Suche. Du hast doch nichts dagegen?

INNA: Überhaupt nicht. Hast du eine Idee?

MAJA: Meine Cousine drängt mich die ganze Zeit, mich mit irgendeinem Wittwer bekannt zu machen.

INNA: Viel Glück dabei.

LARISA: (Verlegen.) Ich hab auch eine Idee.

MAJA: Was du nicht sagst! Raus damit!

LARISA: Im Park neben uns machen die Rentner morgens Dauerläufe. Keine jungen Männer, aber dafür sportliche, kräftige.

INNA: Na, und?

LARISA: (Verlegen.) Also, ich denke, dass ich einen auffälligen Trainingsanzug kaufen muss… Schöne Laufschuhe… Auf die Laufbahn rausgehen… Einen sympathischen Sportler aussuchen…

MAJA: Und mit ihm Fangen spielen, oder?

LARISA: Warum nicht?

MAJA: Ich hab noch nicht begonnen, mich selbst so zu verachten, um am helllichten Tag hinter Männern herzulaufen. Ich bin gewohnt, dass sie hinter mir herlaufen.

LARISA: (Beleidigt.) In deinem Alter sollte man einige Angewohnheiten ablegen.

MAJA: Was heißt denn hier „mein Alter“?

LARISA: Du weißt es selbst.

MAJA: Ich hab kein „Alter“!

INNA: Streitet nicht! Wir rennen alle drei hinter ihnen her! Wer schneller rennt, bekommt ihn.

LARISA: Hauptsache, ihr habt etwas zu lachen, aber ich hab mir alles ausgedacht. Rennen muss man gar nicht. Man braucht nur auf die Laufbahn zu gehen und zu warten. Sobald einer auftaucht ein paar Schritte machen, hinfallen und sagen, dass man den Fuß verstaucht hat… Er bietet Hilfe an, begleitet dich nachhause…Du bietest ihm Tee an… Nun, und alles weitere je nach den Umständen.

MAJA: Nur am ersten Abend gleich aufs Ganze zu gehen, rate ich nicht.

LARISA: Für wen hältst du mich?

MAJA: Und biete ihm keinen Tee an, sondern etwas von deinem Hausgemachten. Dann hast du ihn auf jeden Fall sicher.

INNA: Wunderbarer Plan. Glückwunsch. (Schaut auf die Uhr.) Zeit, auseinander zu gehen... Wo treffen wir uns das nächste Mal?

LARISA: Ich glaube, Maja ist dran.

INNA: Das heißt, wir werden wieder belegte Brote vom Pommes-Stand essen.

MAJA: Und wieder Schnecken in meinen Gemüsegarten. Man könnte denken, meine belegten Brote schmecken ihr nicht.

LARISA: Lasst uns lieber wieder zu mir kommen. Ich koch doch gerne. Ich werd irgendetwas Leckeres machen.

MAJA: Gut. Aber der Cognac kommt dann von mir.

INNA: (An Larisa.) Dann also bei dir.

LARISA: Wann?

INNA: Sobald ich wenigstens einen passenden Kandidaten für euch gefunden hab.

LARISA: Wie viel Zeit brauchst du?

INNA: Nun, bis ich das Internet durchstöbere, euch Kavaliere aussuche, mit ihnen Briefwechsel beginne, sie gründlich überprüfe… ich denke, drei bis vier Wochen.

MAJA: So lange?

INNA: Eile braucht man nur beim Flöhefangen, aber nicht beim Männerangeln.

LARISA: Das stimmt.

INNA: Und ihr handelt inzwischen selbständig. Larisa im Park, Maja mit ihrem Wittwer.

MAJA: Er gehört mir noch nicht.

INNA: Das wird er, daran zweifeln wir nicht.

LARISA: Das heißt, wir treffen uns in drei Wochen. Einverstanden?

MAJA: Einverstanden. (Erhebt das Glas.) Auf den Erfolg der Sache!

  

Ende des ersten Akts

 


 Zweiter Akt

Zweite Szene

 

 (Dasselbe Zimmer im Haus von Larisa. Die Hausherrin sitzt im Trainingsanzug am Tisch so, dass sie nur bis zur Hüfte zu sehen ist. Inna räumt Teller und Gabeln vom Tisch.)

INNA: Soll ich dir Tee bringen?

LARISA: Ach, bemüh dich doch nicht. Ich mach dir eh schon zu viel Mühe.

INNA: Von welcher Mühe sprichst du? Einer Tasse Tee? Grünen oder schwarzen?

LARISA: Grünen. Der steht im linken Regal.

INNA: Ich weiß. (Sie geht hinaus und kommt schnell wieder mit dem heißen Tee zurück.)

LARISA: Danke.

INNA: Willst du ein Stück Kuchen?

LARISA: (Schuldbewusst.) Keiner da. Ich hab diesmal keinen gemacht.

INNA: Ich hab welchen mitgebracht. Du bist doch eine Naschkatze.

LARISA: Prachtmädel! Du denkst einfach an alles.

(Inna nimmt aus einer Schachtel Kuchenstücke und legt sie auf Teller. Maja kommt eilig und sehr aufgeregt herein.)

MAJA: Grüß euch!

INNA: Grüß dich!

LARISA: Was ist mit dir?

MAJA: Könnt ihr euch das vorstellen?

INNA: Noch nicht. Was ist passiert?

MAJA: Irgend so ein junger Flegel hat mir gerade im Bus den Platz angeboten. Ich war vor lauter Aufregung ganz außer mir. Man könnte denken, dass ich so eine alte Oma wäre.

LARISA: Nun, du hast dich natürlich nicht gesetzt.

MAJA: Natürlich hab ich mich gesetzt. Ich steh doch nicht wie eine Blöde, besonders, wenn die Beine nicht mehr mitmachen.

INNA: Ich denke, er hat dir den Platz nicht frei gemacht, wie ein junger Mann einer Alten, sondern wie ein Mann einer Frau.

MAJA: Das hab ich mir auch überlegt. Deshalb war ich auch einverstanden, mich zu setzen.

INNA: (Hämisch.) Hat er dich nicht zum Dinner eingeladen?

MAJA: (Pariert.) Hat er, aber ich hab ihm gesagt, dass ich eine Freundin hab, die sich langweilt und nur um drei Jahre älter ist, als ich, und hab ihm deine Telefonnummer gegeben. (Larisa rückt während dieser Unterhaltung etwas vom Tisch ab, und Maja bemerkt, dass ein Bein von der Ferse bis zum Knie eingebunden ist.) Mein Gott, was ist mit deinem Bein?

LARISA: AchNichts Besonderes.

MAJA: Hast du denn einen Gips?

LARISA: Nein, das ist eine Bandage.

MAJA: Wie hast du denn das gemacht?

LARISA: (Vom Thema abweichend.) Entschuldige, aber diesmal hab ich nichts gebacken. Aber Inna hat Kuchen mitgebracht. Willst du Tee?

MAJA: Das lehne ich nicht ab.

LARISA: Inna, bringst du bitte?

(Inna stellt noch eine Tasse auf den Tisch und gießt Tee ein.)

MAJA: (An Larisa.) Hast du das schon lange?

LARISA: Seit einer Woche.

MAJA: Warum hast du nicht angerufen?

LARISA: Wozu Alarm schlagen. Das ist nicht lebensgefährlich.

MAJA: Ich wäre gekommen, um zu helfen.

LARISA: Ich wollte dich nicht beunruhigen. Du hast doch im Theater zu tun.

MAJA: Zurzeit bin ich gerade frei. Ich hab mich mit dem Regisseur gestritten. Er hatte die Frechheit, mir in dem neuen Stück die Rolle der Mutter anzubieten, aber ich hab gesagt, dass ich mich erschieße und kündige, aber nicht eine Frau älter als vierzig spielen werde.

LARISA: Alle Achtung, du kannst dich verteidigen!

MAJA: Wie kommst du denn zurecht mit einem Bein?

LARISA: Inna ist jeden Tag gekommen und hat geholfen.

MAJA: Und die Tochter?

LARISA: Nun, du weißt doch, wie beschäftigt sie ist. Mann, Kinder, Arbeit…

MAJA: Wie ist es denn passiert?

INNA: Erzähl schon. Larisa, nur keine Bescheidenheit.

LARISA: (Ungern.) Es war im Park. Erinnerst du dich, ich sagte, dass ich versuche, dort irgendjemanden kennen zu lernen?

MAJA: Und?

LARISA: Nun, ich hab einen Trainingsanzug gekauft, Turnschuhe, komme morgens in den Park, nehm die Position auf der Laufbahn ein und warte. Ich seh, irgendwer rennt in meiner Richtung. Und nicht nur einer, sondern gleich drei. Dann beginn ich auch zu laufen, wie es geplant war, ein paar Schritte, verdreh mir den Fuß und fall hin.

MAJA: Und sie?

LARISA: Und sie, einer nach dem andern, machen einen Bogen um mich und rennen weiter. Wenn doch einer mir die Hand gegeben hätte oder gefragt, was mit mir ist, warum eine Frau mitten auf der Laufbahn liegt. Ich liege und denke: Eine Närrin bin ich, Närrin, wie komm ich jetzt nachhause?

MAJA: Hast du dir denn tatsächlich den Fuß verdreht?

LARISA: Ja doch. Du weißt doch, dass ich nichts vortäuschen kann.

MAJA: Also. Und hast du lange da gelegen?

LARISA: Ziemlich. Dann kommt ein Kerl vorbei, mit der Schnauze eines Alkoholikers. Und wenn er mir auch nicht gefallen hat, musste ich meinen Stolz vergessen und um Hilfe bitten.

MAJA: Und er?

LARISA: Er hat mich geschickt.

MAJA: Wohin?

LARISA: Soll ich noch deutlicher werden?

MAJA: Dreckskerl. Und was war denn weiter?

LARISA: Ich hab schon jegliche Hoffnung verloren, als neben mir plötzlich ein sehr freundlicher Mann angehalten hat. Er hat gefragt, was los sei, hat mir die Hand gegeben, hat vorgeschlagen, dass ich mich auf seine Schulter stütze und hat mich bis vors Haus geführt, oder besser gesagt, geschleppt. Und auch dort hat er mich nicht alleine gelassen. Hat mir geholfen, mich hinzulegen, hat den Arzt gerufen und ist erst danach gegangen.

MAJA: Also, das ist ein Mann! Sympathisch?

LARISA: Sehr! Höflich, aufmerksam, intelligent. Es hat sich herausgestellt, dass er im Treppenhaus nebenan wohnt. Und am nächsten Tag hat er mich wieder besucht.

MAJA: (Freudig.) Hurra! Das heißt, du hast nicht umsonst gelitten? Gratuliere!

LARISA: (Seufzt.) Er hat mich zusammen mit seiner Frau besucht. Ebenfalls eine sehr angenehme Frau. Dabei sehr, sehr jung. Sogar jünger, als ich. Um ganze zwei Monate.

MAJA: (Nach einer Pause.) Was soll´s, einen Mann ohne Makel zu finden ist schwierig.

LARISA: Also Maja, du hast dich mit dem Wittwer getroffen, den dir deine Schwester gefunden hat?

MAJA: (Nicht besonders erfreut.) Getroffen…

INNA: Ja, sie hat ihn wahrscheinlich auch schon geheiratet.

MAJA: Sehr witzig.

LARISA: Also, was schweigst du denn? Erzähl! Aber ausführlich.

INNA: Wo habt ihr euch getroffen? Im Restaurant?

MAJA: Wenn´s doch so wäre…

LARISA: Und wo?

MAJA: Bei der Schwester. Sie hat uns den Tisch gedeckt und ging dann weg, um eine intime Atmosphäre aufkommen zu lassen.

LARISA: Und dann?

MAJA: Was, „und dann“?

LARISA: Gab´s intim?

MAJA: Und was für eins.

LARISA: So erzähl doch. Warum muss man dir jedes Wort aus der Nase ziehen?

INNA: Wie ist er denn? Nicht schlecht?

MAJA: Nicht schlecht. Irgendwas zwischen Mopps und Kakerlake.

INNA: Du hast doch versprochen, nicht wählerisch zu sein.

MAJA: Ich erinnere mich. Deshalb bin ich auch ruhig sitzen geblieben.

LARISA: Inna, unterbrich sie nicht. (An Maja.) Erzähl!

MAJA: Nun, was soll ich erzählen… Wir saßen so da, dann sagt er: „Ich sehe, dass sie keine achtzehn mehr sind, keine fünfunddreißig und sogar keine dreiundfünfzig.“

LARISA: So ein Schuft. Und du?

MAJA: Ich schweige.

LARISA: Und er?

MAJA: Und er macht weiter: „Nun, für mich ist das Alter schließlich nicht die Hauptsache. Wir sind beide Erwachsene, die Zeit der Romantik ist schon lange vorbei. Uns interessieren wichtigere Dinge.“ Ich frage: „Nun, und was interessiert sie denn, zum Beispiel, an einer Frau?“ Er antwortet: „An einer Frau interessiert mich alles, Wohnung, Verdienst, Wochenendhaus, Auto, Schmuck…“

LARISA: Und du?

MAJA: Ich sag: „Eine Wohnung hab ich nicht, auch kein Wochenendhaus und kein Auto, nicht jeden Monat einen Verdienst, aber ich hab eine Rente. Was den Schmuck betrifft, so hab ich drei goldene Eheringe aus meinen früheren Ehen, und der vierte kommt dazu, sobald Sie ihn mir schenken.“

INNA: Recht so, gut gesagt! Und er?

MAJA: Und er… „Ehrlich gesagt“, sagt er, „Vermögen haben Sie kein reiches“. Und ich hab ihn mir so angeschaut und sage: „Ich hab andere Schätze“. Er hat sich gleich interessiert. „Und welche genau?” – „Zu allererst Seele.“ – „Und außerdem?“ – „Und außer ihr Augen, Hände, Schultern, Busen und noch etwas, und zwar etwas, was Sie nie erreichen werden.“

LARISA: So gehört´s ihm! Und er?

MAJA: Er sagt: „Das alles haben auch andere Frauen.“ Und ich antworte ihm: „Dann suchen Sie bei denen, falls Sie nicht vergessen haben, wo sich das alles befindet.“

LARISA: Du bist wirklich nicht auf den Mund gefallen.

INNA: Ein schönes Früchtchen hat dir da deine Schwester untergeschoben.

MAJA: Besser gesagt, ein Schwein.

LARISA: Nun, und weiter?

MAJA: Nach der Information über meine materiellen Verhältnisse ist er betrübt geworden und brummte vor sich hin: „Ich hab Sie mir bedeutend jünger vorgestellt.“ Ich antworte ihm: „Und ich hab Sie mir genau so vorgestellt, wie Sie sind: Alt und abgetragen.“ Er wurde beleidigt und sagt: „Wenn Sie denken dass Sie noch ein Milchbrötchen sind, dann muss ich Ihnen sagen, dass dieses Brötchen leicht vertrocknet ist. Und ich frage ihn: „Wenn das so ist, warum haben Sie dann die ganze Zeit versucht, mich zu betatschen und anzufassen?“

INNA: (Mit einem süffisanten Lächeln.) Das Interessanteste hast du nicht erzählt. Hat er dich tatsächlich begrapscht?

MAJA: Natürlich! Aber ich hab mich gewehrt.

INNA: Das kann nicht sein!

MAJA: Was kann nicht sein? Dass ich mich gewehrt hab, oder dass er mich begrapschen wollte?

INNA: Das eine, wie das andere.

MAJA: Lach so viel du willst, aber so war es.

INNA: Eine Frau soll sich bei einem Mann wie der Schiefe Turm von Pisa verhalten: Es scheint, dass er gleich umfällt, aber er steht.

LARISA: Na gut, erzähl weiter. Was hat er dir geantwortet?

MAJA: “Ich habe Sie umarmt, um zu zeigen, dass ich als Mann noch zu etwas zu gebrauchen bin.“ Ich antworte: „Aber es hätte nicht schlechter gelingen können.“

LARISA: So gehört´s ihm!

MAJA: Und ich weiter: „Und was sind Sie denn für ein Mann? Ein richtiger Mann sollte drei Metalle haben: Gold in der Tasche, Silber an der Schläfe und Stahl… Und Stahl dort, wo er bei Ihnen schon lange nicht mehr ist.“

INNA: (Ungeduldig.) Du brauchst euer Gespräch nicht wortwörtlich wiederholen. Sag lieber, womit das alles geendet hat.

MAJA: Nun, dann hat er gefragt: „Wo wohnen Sie?“ Und ich sag ihm ungelogen: „Weit weg von Ihnen. Am anderen Ende der Stadt.“ – „Aber Sie wissen doch nicht, wo ich wohne!“ Und ich antworte ihm ruhig: „Wozu sollte ich das wissen?“

INNA: Sehr gut. Nun, und weiter?

MAJA: Ich frage: „Warum interessiert Sie das eigentlich? Wollen Sie mich begleiten?“ Er antwortet: „Warum auch nicht?“ – Ich sag: „Gut, ich bin einverstanden, Aber nicht weiter, als bis zur Tür.“

INNA: Hast du so eine feste Moral?

MAJA: Überhaupt nicht. Aber ich hab begriffen, dass sein Ziel gar nicht war, mich zu verführen, sondern meine Wohnung zu besichtigen und zu taxieren.

LARISA: Nun, und weiter?

MAJA: Aus.

LARISA: In welchem Sinn „aus“?

MAJA: Im Sinne von „nichts“.

LARISA: Also, alles oder nichts?

MAJA: Ich hab alles erzählt, und es war nichts. (Will aufstehen, setzt sich aber wieder und fasst sich an das Rückgrat.) Verdammter Rücken!

LARISA: Tut er weh?

MAJA: Macht nichts, bis zur Hochzeit geht´s vorbei. (Reibt sich den Rücken.) Ich fühl mich großartig. Inna, jetzt erzählst du. Hast du uns Bräutigame gefunden?

INNA: Stell dir vor, ich hab.

MAJA: Wie viele?

INNA: Aus den zuverlässigen bisher nur einen.

MAJA: Was ist das für ein Mensch?

INNA: Wittwer. Dem Briefwechsel nach kein Mann, sondern Supermann. Sehnt sich nach häuslicher Gemütlichkeit. Ich seh ihn für Larisa vor.

MAJA: Man könnte meinen, dass es bei mir zuhause ungemütlich ist.

INNA: Als ich mit ihm korrespondiert habe, hab ich irgendwie Larisa dargestellt. Ich hab erzählt, wie ruhig ich bin, und freundschaftlich, und dass ich sehr zurückhaltend bin, und was für ein leckeres gefülltes Hühnchen ich zubereite… „Ich“ – bin in diesem Sinn Larisa.

MAJA: Wenn es sein muss, dann kann ich auch Hühnchen zubereiten. Gegenüber von mir ist ein ausgezeichnetes Feinkostgeschäft.

INNA: Letzten Endes kann man euch auch austauschen. Im Briefwechsel hab ich keinen Namen genannt.

LARISA: Maja, wenn du willst, nimm du ihn. Ich kann auch warten.

MAJA: Auf gar keinen Fall, ich brauch keinen Fremden. Ich kann auch warten. Ein paar Tage.

LARISA: Und er hat ernste Absichten?

INNA: Ernste und sehr konkrete. (Schaut auf die Uhr.) Gleich sollte er dir anrufen. Ich hab ihm absichtlich diese Zeit genannt, wenn wir alle beisammen sind.

LARISA: (Erschreckt.) Warum hast du wer weiß wem meine Nummer gegeben?

INNA: Keine Angst, ich hab ihn geprüft. Er ist ein bekannter Mensch. Sein Name ist im Internet zu finden. Er ist Wissenschaftler, er hat nicht wenige Arbeiten geschrieben.

LARISA: Wissenschaftler? Was werd ich mit ihm anfangen?

MAJA: Dasselbe, wie mit anderen Männern.

INNA: Maja meinte, dass du ihn verpflegen wirst. Gut essen lieben alle, sogar Wissenschaftler.

LARISA: Und er ruft gleich an?

INNA: In dieser Minute.

LARISA: (In Panik.) Oh, Mädchen, gebt mir einen Spiegel!

INNA: Wozu brauchst du einen Spiegel?

LARISA: Ich muss mich doch zurecht machen!

MAJA: Jetzt beruhig dich doch, er kommt doch nicht zu Gast zu dir, sondern ruft nur an.

LARISA: Trotzdem, ich muss mich doch wenigstens frisieren. Maja, bring die Bürste. Die ist im Bad.

MAJA: Will sich vom Stuhl erheben, schreit aber vor Schmerzen auf.) Au!

INNA: Schon wieder ein Anfall?

MAJA: Das geht gleich vorbei. (Verharrt auf dem Stuhl.)

LARISA: Wie fühlst du dich denn?

MAJA: Ausgezeichnet! Ich kann nur weder stehen noch sitzen, noch den Kopf drehen.

LARISA: Leg dich auf das Sofa, ich mach dir eine Massage.

MAJA: Liegen kann ich auch nicht. Das Sofa ist viel zu weit weg.

INNA: Soll ich dir helfen? Das sind doch nur zwei Schritte.

MAJA: (Sitzt aufrecht und unbeweglich.) Nein, ich bin jetzt wie eine Bronzestatue. Aber die Lippen kann ich noch bewegen, deshalb lasst uns unser interessantes Gespräch fortsetzen. Hast du etwas gegen Schmerzen?

LARISA: Inna, Herzchen, bring die Tabletten. Die stehen bei mir im Schlafzimmer.

INNA: Ich weiß. (Geht ins Schlafzimmer.)

(Das Telefon klingelt.)

LARISA: (Entgeistert.) Maja, das Telefon!

MAJA: Weshalb wunderst du dich so?

LARISA: Es klingelt!

MAJA: Na und? Man könnte meinen, du noch nie gehört, wie das Telefon klingelt.

(Inna kommt schnell herein und hebt den Hörer ab, aber in dem Moment hört es auf zu klingeln.)

LARISA: (Betrübt.) Da hast du´s… (An Maja.) Warum hast du nicht abgehoben?

MAJA: Und wie hätte ich das machen sollen?

LARISA: Entschuldige, ich hab´s vergessen. Versuch auf den Boden zu kriechen.

MAJA: Wozu?

LARISA: Ich renke dir trotzdem die Wirbel ein. Inna, gib bitte die Krücken.

(Inna gibt Maja eine Tablette und ein Glas Wasser. Maja nimmt die Tablette ein, und gleitet dann mit Innas Hilfe vom Stuhl und legt sich auf den Boden. Inna gibt Larisa die Krücken, die neben Maja her humpelt und mit der Massage beginnt.)

MAJA: Vorsichtiger! Das tut doch weh.

LARISA: Halt aus!

MAJA: Ärger dich nicht, er ruft nochmal an. Glaub mir nur, ich kenn die Männer. Sie lieben gefülltes Hühnchen.

LARISA: Kann sein, oder auch nicht. Ehrlich, vor lauter Angst werd ich nicht mit ihm reden können.

INNA: Sei doch nicht so verlegen. Du bist doch sowohl hübsch, als auch angenehm. Weshalb solltest du schüchtern sein.

MAJA: (Immer noch auf dem Boden liegend.) Larisa, du bist wirklich hübsch, aber du hast kein Feuer, keinen Charme, keine Koketterie. Und Männer mögen das. Hier, schau mich an: Ich bin ganz Flamme. Deshalb wirke ich auch anziehend auf sie.

LARISA: Lieg ruhig, Flamme, gleich tut´s weh. (Drückt energisch auf einen der Wirbel.)

MAJA: Au!.. Das tut wirklich weh.

LARISA: Versuch jetzt aufzustehen.

MAJA: Ich kann nicht.

LARISA: Steh auf, sag ich!

MAJA: (Maja steht vorsichtig auf. Erleichtert.) Es ist weg. Du rettest mich wie immer. (Macht ein paar Schritte im Zimmer auf und ab, dann versucht sie ein paar Tanzschritte.) Toll, ich lebe wieder! (An Larisa.) Steh auf! (Hilft Larisa aufzustehen und setzt sie auf einen Stuhl.)

INNA: Ich geh Tee holen. (Geht hinaus.)

(Das Telefon klingelt.)

LARISA: (Erregt.) Es klingelt wieder!

MAJA: (Kaltblütig.) Mir schien es auch so.

LARISA: Schon zum zweiten Mal!

MAJA: Sehr richtig bemerkt. Ich wusste gar nicht, dass du bis zwei zählen kannst.

LARISA: Heb den Hörer ab.

MAJA: Tanz, dann heb ich ab.

LARISA: (Sie nimmt die Krücken und führt so etwas wie einen Tanz auf.) Hör auf! Ein drittes Mal ruft er doch nicht an! (Maja nimmt das Telefon und stellt es neben Larisa. Die schiebt es erschrocken von sich.) Nimm und red an meiner Stelle. Du bist doch von uns die Gesprächigere.

MAJA: Sei nicht feige. Wart nur, ich stell den Lautsprecher an, damit du auch hören kannst. (Schaltet am Telefon den Lautsprecher ein.)

LARISA: Jetzt nimm doch den Hörer!

MAJA: (Nimmt ab.) Hallo!..

(Inzwischen kommt Inna zurück.)

WEIBLICHE STIMME: Mama?

MAJA: Nein, Natascha, hier ist Maja.

WEIBLICHE STIMME: Guten Tag. Ist Mama zuhause?

MAJA: Ja, natürlich. Sie kommt gerade. (Gibt Larisa den Hörer.)

LARISA: (Freudig.) Töchterchen, grüß dich!

WEIBLICHE STIMME: Wie geht´s dir?

LARISA: (Mit stolzer Stimme.) Alles in Ordnung. Ich geh jeden Morgen spazieren, und heute Abend hat uns Maja zu sich ins Theater eingeladen. Was gibt´s bei dir? Vielleicht kommst du mal vorbei?

WEIBLICHE STIMME: Ich würd gern, Mama, aber ich bin furchtbar beschäftigt.

LARISA: (Mit etwas gedämpfter Stimme.) Ich verstehe.

WEIBLICHE STIMME: Mama, weshalb ich anruf: Kannst du mir nicht ein bisschen Geld geben?

LARISA: Wie viel?

WEIBLICHE STIMME: Eigentlich brauch ich viel. Verstehst du, man hat mich zu einem Bankett eingeladen, dazu muss ich mich einkleiden. Gib so viel du kannst. Nun, wenigstens fünfhundert.

LARISA: „Wenigstens“? Gut, ich versuch sie zusammen zu kratzen.

WEIBLICHE STIMME: Danke, Mamalein. Ich ruf dir noch an. Küsschen.

(Der Anruf ist beendet, Larisa legt den Hörer auf. Sie versucht, die Freundinnen nicht anzusehen. Lange Pause.)

INNA: Maja, wie willst du den Tee?

MAJA: (Legt Larisa ihre Hand auf die Schulter.) Mach dir nichts draus, es ist bei allen dasselbe.

(Das Telefon klingelt wieder.)

LARISA: Das ist sie. (Nimmt den Hörer ab.) Natascha?

ANGENEHME MÄNNLICHE STIMME: Guten Tag.

LARISA: (Verwirrt.) Guten Tag.

MÄNNLICHE STIMME: Sind Sie die „Schlanke Eberesche“?

LARISA: (Verwundert.) Ich? (Inna nickt stark mit dem Kopf.) Aha. Ich bin die Eberesche.

MÄNNLICHE STIMME: Endlich höre ich Ihre Stimme.

LARISA: Und ich Ihre.

MÄNNLICHE STIMME: Wie geht es Ihnen?

LARISA: Entschuldigen Sie, ich muss meine Brille aufsetzen. (Macht den Freundinnen Zeichen, damit jemand von ihnen das Gespräch fortsetzt, aber die reagieren nicht darauf.)

MÄNNLICHE STIMME: Sie tragen Brille?

LARISA: Nein, eigentlich trage ich keine. Ich setz sie nur auf, wenn ich telefoniere.

MÄNNLICHE STIMME: Weshalb?

LARISA: Weshalb? Das ist schwer zu erklären. Ich bin einfach sehr schüchtern.

MÄNNLICHE STIMME: Und mit Brille sind Sie nicht schüchtern?

LARISA: Mit Brille bin ich auch schüchtern.

MÄNNLICHE STIMME: Sie scherzen, wie immer.

LARISA: Können Sie nicht in zwei Minuten nochmal anrufen?

MÄNNLICHE STIMME: Sind Sie beschäftigt? Vielleicht rufe ich unpassend an?

LARISA: Nein, nein, passend. Mir brennt nur der Braten an… Das heißt, ein gefülltes Hühnchen.

MÄNNLICHE STIMME: Gut, ich rufe zurück.

(Der Anruf endet.)

LARISA: (Legt den Hörer auf.) Ich bin so verwirrt geworden… Wahrscheinlich hat er mich für eine Vollidiotin gehalten.

MAJA: Und er hat sich nicht sehr getäuscht.

INNA: Jetzt hab doch keine Angst. Aus dem Briefwechsel mit ihm hab ich herausgefunden, dass er noch schüchterner ist, als du.

MAJA: Dann verabreden sie sich nie. Larisa, sei mutiger! Man sagt doch nicht umsonst: „Wer sich vor dem Ehemann geniert, bekommt keine Kinder.“

LARISA: Ich kann mich nicht ändern. (Das Telefon klingelt. Nach einigem Zögern nimmt sie den Hörer.) Ja?

MÄNNLICHE STIMME: Nun, wie ist Ihr Hühnchen?

LARISA: Welches Hühnchen? Ach, ja… Danke, gut. Das heißt… Nicht angebrannt.

MÄNNLICHE STIMME: Kann ich kommen und versuchen?

LARISA: Nein, nicht diesmal. Es ist trotzdem nicht ganz gelungen.

MÄNNLICHE STIMME: Daran bin ich schuld.

LARISA: Ach, was denn… Das habe ich verpatzt.

MÄNNLICHE STIMME: Mir gefällt, dass Sie auch kochen mögen und am Leben teilhaben: Sie beherrschen Computer, Internet…

LARISA: (Bemüht sich, locker zu sein.) Wer beherrscht das heute nicht?

MÄNNLICHE STIMME: Welchen Browser verwenden Sie?

LARISA: Was?

MÄNNLICHE STIMME: Browser.

LARISA: (Denkt gequält darüber nach, was sie antworten soll.) Ich verhüte nicht.

MÄNNLICHE STIMME: Und – Sie haben keine Angst vor Viren?

LARISA: Wenn man zufällige Kontakte vermeidet, dann sind Viren nicht gefährlich.

MÄNNLICHE STIMME: Und trotzdem, ein Antivirus schadet nicht.

LARISA: In solchen Momenten setze ich eine Gazemaske auf.

MÄNNLICHE STIMME: Wie scharfsinnig Sie sind. Das habe ich auch aus unserem Briefwechsel erkannt. Ich wollte Sie schon lange fragen: Sind Sie im Facebook registriert?

LARISA: Wo?

MÄNNLICHE STIMME: Im Facebook.

LARISA: (Gerät wieder in Schwierigkeiten.) Nein, ich bin mit niemandem registriert. (Hält mit der Hand den Hörer zu und wendet sich erschreckt an Inna.) Ich begreif überhaupt nichts. Red du für mich.

INNA: Er redet von Computern, weil er auch schüchtern ist. Du musst ihm irgendwie Mut machen.

MÄNNLICHE STIMME: Hallo!

LARISA: Ja, ich höre Sie.

MÄNNLICHE STIMME: Ich möchte mich mit Ihnen treffen.

LARISA: (Hält den Hörer zu und wendet sich an die Freundinnen.) Interessant, wohin er mich einlädt, zu einem Rendezvous oder zu einem Computerkurs?

MÄNNLICHE STIMME: Hallo! „Schlanke Eberesche“, wohin sind Sie denn wieder verschwunden?

LARISA: Ich bin hier. Nennen Sie mich einfach Eberesche. Erstens ist es kürzer, zweitens, ich bin nicht ganz schlank.

MAJA: (Räuspert sich laut in Richtung Larisa.) Wohin tappst du denn dauernd mit deiner Aufrichtigkeit?

MÄNNLICHE STIMME: Was sagen Sie dazu?

LARISA: (Völlig verwirrt.) Wozu? (An Inna, wobei sie den Hörer mit der Hand zuhält.) Ich fleh dich an, red du mit ihm.

INNA: (Auch laut flüsternd.) Du bist doch kein Kind. Red selbst!

MÄNNLICHE STIMME: Hallo! Hallo! Die Verbindung wird irgendwie dauernd unterbrochen. Ich wähle nochmal.

(Der Anruf wird beendet Larisa legt den Hörer auf.)

MAJA: Larisa, du bist einfach unmöglich. Bist schüchtern wie ein Schulmädchen.

INNA: Schulmädchen sind schon lange nicht mehr schüchtern.

LARISA: Mit ihm über Browser und Facebook reden kann ich nicht. Wahrscheinlich ist er kein Normaler sondern ein Perverser.

INNA: Er hat per E-Mail sein Foto geschickt. Ein durchaus anziehender Mann.

LARISA: Ich kann ihm auch das Foto von Elisabeth Taylor schicken und drauf schreiben, dass ich es bin.

MAJA: Sag ehrlich, dass du schüchtern geworden bist.

LARISA: Ja, ich hab Angst. Und zu einem Treffen mit ihm geh ich auf keinen Fall alleine. Vielleicht ist er ein Betrüger? Gehst du mit mir?

MAJA: Vielleicht sollten wir uns, wenn du schon so schüchtern bist, auch gemeinsam ins Bett legen? Ich bin nicht dagegen. Was macht man nicht alles für die Freundin.

LARISA: Alleine geh ich nicht, und wenn ihr mich umbringt.

INNA: Wisst ihr was? Geht tatsächlich zu zweit. Erstens, Larisa hat weniger Angst. Zweitens, falls es zwischen ihnen nicht funkt, dann passt er vielleicht für Maja?

MAJA: Der passt. Ich bin überzeugt.

(Das Telefon klingelt. Larisa schaut voller Hoffnung auf Inna. Nach dem Austausch von ausdrucksvollen Mimiken nimmt Inna ungern den Hörer ab.)

MÄNNLICHE STIMME: Ich bin es wieder. Hören Sie mich jetzt gut?

INNA: Ausgezeichnet. Mir scheint, Sie sind nebenan.

MÄNNLICHE STIMME: Jetzt höre auch ich Sie gut. Ihre Stimme hat sich sogar verändert. Übrigens, sie gefällt mir sehr.

INNA: (Mit unerwarteter Koketterie.) Und mir Ihre. Ein richtiger männlicher, samtiger Bariton.

MÄNNLICHE STIMME: Sie lieben wahrscheinlich Musik?

INNA: Sehr, und Sie?

MÄNNLICHE STIMME: Auch. Gewöhnlich lade ich mir meine Lieblingsmelodien aus dem Internet, weil…

INNA: (Unterbricht ihn.) Lassen Sie uns vereinbaren, das Internet nicht zu erwähnen. Sie sprechen doch mit einer Frau, finden Sie interessantere Themen. (Larisa nicht zustimmend mit dem Kopf.)

MÄNNLICHE STIMME: Sie haben Recht. Ehrlich gesagt ist das Internet für mich die einzige Rettung vor Einsamkeit, deshalb rede ich davon in passenden und unpassenden Momenten.

INNA: Dann lassen Sie uns doch beschließen, wie die Einsamkeit gemeinsam zu überwinden ist.

MÄNNLICHE STIMME: Nur setzen wir dieses Gespräch bei einem persönlichen Treffen fort, irgendwo, in einem Café. Sind Sie einverstanden?

INNA: Guten Menschen schlage ich nichts ab.

MÄNNLICHE STIMME: (Zufrieden.) Wann?

INNA: In etwa einer Woche.

MÄNNLICHE STIMME: Warum so spät?

INNA: Ich bin wahrscheinlich noch nicht bereit. Das kam doch alles so unerwartet… Rufen Sie solange nicht mehr hier an. Ich schreibe Ihnen selbst.

MÄNNLICHE STIMME: Gut.

INNA: Und versprechen Sie, bei dem Treffen nicht von Computern und ähnlichen Dingen zu sprechen

MÄNNLICHE STIMME: Einverstanden.

INNA: Und noch: Sind Sie nicht dagegen, wenn ich mit einer Freundin komme?

MÄNNLICHE STIMME: Mit einer Freundin? Wozu?

INNA: Alleine werde ich beim ersten Treffen schüchtern sein.

MÄNNLICHE STIMME: Ich verstehe Sie. Kommen Sie mit wem Sie wollen. Nur, wie errate ich, wer von Ihnen Sie sind?

INNA: Das sollten Sie fühlen.

MÄNNLICHE STIMME: Sagen Sie wenigstens Ihren Namen.

INNA: Sie wissen doch: „Schlanke Eberesche“.

MÄNNLICHE STIMME: Ich meine den richtigen Namen.

INNA: Den richtigen? „Wunderschöne Unbekannte“.

MÄNNLICHE STIMME: Der passt Ihnen sehr. Wie sehen Sie aus?

INNA: Ich sehe wie eine Frau aus, die wie fünfzig aussehen will.

MÄNNLICHE STIMME: Das Alter passt mir.

INNA: Ich hoffe, die Unbekannte wird Sie auch nicht enttäuschen. (Legt den Hörer auf.)

MAJA: Mann, du bist großartig. Ich hab nicht daran gezweifelt, wie geschickt du die Männer verführst.

INNA: Für euch streng ich mich an.

LARISA: Was weiter?

INNA: Wir geben dir eine Woche zur völligen Besserung. Danach verabrede ich mich gleich mit eurem Bräutigam, und wir kommen eine Stunde vor dem Treffen im Café schnell hier zusammen. Ich geb euch letzte Anweisungen, und ihr strebt eurem Glück entgegen.

MAJA: Inna, vergiss nicht in der Zwischenzeit auch mir irgendeinen zu suchen.

INNA: Ich bin nur damit beschäftigt. Genug geklatscht, vor euch liegt ein wichtiges Treffen. (Erhebt sich.) Damit ihr mir in einer Woche bereit seid!

 

 

Dritte Szene  

(Einige Tage sind vergangen. Larisa, elegant angezogen, probiert nacheinander verschiedenen Schmuck an und besieht sich selbstkritisch im Spiegel. Maja tritt ein, ebenfalls sehr elegant.)

MAJA: Grüß dich!

LARISA: Grüß dich!

MAJA: Wie schick du bist! Man sieht, du hast die Zeit nicht ungenützt gelassen. Du könntest gleich zur Hochzeit gehen. Dreh dich doch mal um! (Begeistert.) Klasse!

LARISA: Das sagst du, um mich zu trösten. Du hast dich doch selbst so herausgeputzt. Klar, dass er dich auswählt.

MAJA: Warum mich?

LARISA: Weil du von uns beiden die Schönste bist.

MAJA: Ich bin nicht die Schönste. Ich kann mich einfach nur besser pudern und schminken, als ihr. Ich bin schließlich Schauspielerin. Daran gewöhnt, mich zu schminken. Ich kann sein, was du willst: Dümmliche Blondine, verführerische Brünette… Ich kann naiv aussehen, erfahren, temperamentvoll, kalt. Nur eine Magere darzustellen fällt mir jetzt schwer.

LARISA: Was denkst du, stehen mir diese Perlen?

MAJA: Nein, Perlen wirken besser zu Dunklem. Außerdem sieht man, dass sie künstlich sind. Du hast doch eine echte. Wo ist sie?

LARISA: (Etwas verlegen.) Verkauft.

MAJA: Dann steck deine prächtige goldene Brosche an. Die haut ihn von den Socken.

LARISA: Die hab ich auch verkauft.

MAJA: Wann hast du das geschafft? Ich hab sie doch neulich bei dir gesehen.

LARISA: Verstehst du, Natascha brauchte Geld…

MAJA: Du brauchst nicht weiter zu erzählen. Nun gut, ich geb dir mein Collier und versuch deine sogenannten Perlen anzulegen.

LARISA: Aber nicht doch. Das ist mir unangenehm…

MAJA: Mach dir nichts draus. Ich werd doch, wie man so sagt, auf der Reservebank sitzen. Lass uns probieren, wie das aussieht.

(Die Frauen tauschen den Schmuck aus und beschauen sich im Spiegel.)

LARISA: Ich frag mich, ob dieser Mann groß oder klein ist?

MAJA: Ist das so wichtig für dich?

LARISA: Natürlich. Wenn er klein ist, dann darf ich keine Schuhe mit hohen Absätzen anziehen.

MAJA: Verflixt! Daran hab ich nicht gedacht. Ich hab die schönsten angezogen. Sie drücken mich furchtbar, dafür sind die Füße darin– eine Augenweide. (Besieht sich selbstverliebt ihre Füße.)

LARISA: Ich hab schon fünf Jahre keine Schuhe mit Absätzen angehabt. Die Füße tun weh.

MAJA: Halt aus, wie ich. Einmal in fünf Jahren kann man das doch aushalten. Was denkst du, ist mein Kleid nicht zu offenherzig? Die Haut ist doch nicht mehr so.

LARISA: Ich geb dir einen Chiffon-Schal. Leg ihn um den Hals, und alles passt. Inna hat mir gesagt, dass sie extra ein Café ausgewählt hat, wo kein so helles Licht ist.

MAJA: Prachtmädchen. Sie hat an alles gedacht.

LARISA: Mach mir inzwischen schnell eine Maniküre.

MAJA: Setz dich.

(Maja beginnt Larisa eine Maniküre zu machen.)

LARISA: Als ich jung war hab ich gedacht, - warum denn die Frauen im Alter so auf ihr Äußeres achten? Kleider, Kosmetik, Ringe… Und jetzt denke ich, und wozu brauchen das junge Mädchen? Die sind doch auch ohne das schön, schlank und glatt.

MAJA: In ihrem Alter verstehen sie nicht, dass sie irgendwann einmal alt werden. Aber wir – wir verstehen das. Tatsächlich haben wir es bis zum Alter noch sehr weit, aber trotzdem weniger, als früher.

LARISA: (Beschaut ihre Fingernägel.) Denkst du, dass mir diese Farbe steht?

MAJA: Zu deinem Kleid passt nichts besser.

LARISA: Du hantierst so geschickt. Wie ein Profi.

MAJA: Ich bin überhaupt geschickt. Lass uns eine Vereinbarung treffen: Wen er auch immer von uns auswählt, wir werden nicht beleidigt miteinander sein. Gut?

LARISA: Versteht sich von selbst… Inna verspätet sich anscheinend.

MAJA: Wir brauchen sie doch eigentlich auch nicht. Den Ort kennen wir, die Zeit auch.

LARISA: Aber man muss uns doch einweisen. Sie hat ihm doch lange geschrieben, und wir wissen nichts über ihn. Und wer weiß, was er über mich weiß?

MAJA: Das werden wir dort erfahren.

LARISA: Nein, Inna muss mich unterrichten. Ich hab keine Ahnung, worüber ich mich mit ihm unterhalten soll.

MAJA: Sag ihm bloß nicht, dass du in Rente bist.

LARISA: Und wenn er fragt, wer ich bin?

MAJA: Schau ihn so an – nun, du weißt schon – und sag: „Was bedeutet das schon. Für Sie bin ich einfach eine Frau“.

LARISA: Ich kann keine „solchen“ Blicke machen.

MAJA: Sehr schlecht. Sag, dass du Schauspielerin bist.

LARISA: Aber Schauspielerin – das bist du.

MAJA: Nun, wenn nicht Schauspielerin, dann Künstlerin.

LARISA: Und plötzlich fragt er, wo man meine Arbeiten sehen kann

MAJA: Das ist gut so. Schon habt ihr einen Grund zum Reden und sich bekannt zu machen. Sag, dass alle an private Sammler verkauft sind.

LARISA: Meiner Meinung nach passt einem nicht mehr jungen Mann eine Krankenschwester eher, als eine Künstlerin. Und, das weißt du doch, ich kann nicht lügen.

MAJA: Befrei dich von diesem Mangel. (Beendet die Maniküre.) Also, deine Fingerchen sind fertig.

LARISA: Danke. (Wedelt mit den Händen, damit der Lack schneller trocknet.) Trotzdem, ich hab Angst vor diesen Besichtigungen. Weißt du was? Geh ohne mich!

MAJA: Nein, das Recht auf die erste Nacht gehört dir. Der Freundin den Bräutigam wegnehmen, werd ich nicht. Ich bin ein Luder, aber nicht in so einem Maß. Außerdem bringt mich Inna dann um.

LARISA: Übrigens, wo ist sie denn?

(Inna kommt herein.)

INNA: Hier bin ich.

LARISA: Endlich! Ich hab mir schon Sorgen gemacht.

INNA: Was seid ihr doch für zwei Schönheiten! Jetzt macht doch mal eine Modenschau! (Larisa und Maja schreiten wie auf dem Laufsteg und demonstrieren ihre Abendgarderobe.) Luxuriös. Einfach großartig. Das haut ihn um. Larisa, wo ist denn deine berühmte Schmetterlingsbrosche?

MAJA: Dort, wo auch das Kristall und die Perlen sind.

INNA: Verstehe. (An Larisa.) Damit verdirbst du deine Natascha nur.

LARISA: Und was sollte ich tun? Ich will, dass sie mich lieb hat.

MAJA: Und was wird, wenn deine Reserven zu Ende gehen?

INNA: Na gut, das muss jetzt nicht sein. Seid ihr fertig?

LARISA: Ja, fast.

INNA: Dann hört zu. Er erwartet euch direkt am Tisch um sechs Uhr.

LARISA: Und wie werden wir ihn erkennen?

INNA: Die besonderen Kennzeichen sind folgende: Dunkelgrauer Anzug, blaue Krawatte, kurze graue Haare.

MAJA: Graue – das ist schlecht.

INNA: Gut, Maja, ich werd das berücksichtigen. Dir such ich einen mit Glatze aus. Und noch: In der Hand hält er ein Buch mit rotem Einband, damit es auffällt.

LARISA: Wahrscheinlich ein Buch über Computer.

INNA: Nein, es sind Gedichte. Und überhaupt ist er kein Computerfachmann, sondern Spezialist für Festkörperphysik.

LARISA: Umso besser.

MAJA: (Reckt die Schultern.) Und wie ist er in Sachen „Teile des weichen Körpers“?

INNA: Lass deine Abgeschmacktheiten. Berücksichtigt, dass er eure Namen nicht kennt. Schlanke Eberesche und ihre Freundin. Das ist alles. Also, orientiert euch vor Ort.

MAJA: Und wie hat er sich selbst genannt?

INNA: Als er erfahren hat, dass mit ihm „Schlanke Eberesche“ korrespondiert, hat er sich „Hohe Eiche“ genannt. Offenbar mit der Anspielung darauf, dass sie zu ihm kommen und sich auch mit schlanken Zweigen an ihn schmiegen solle.

MAJA: Sehr geschmackvoll. Nun gut, wenn schon Eiche, dann schon Eiche.

LARISA: Gibt es Musik in dem Café?

INNA: Und Musik und Tanz.

LARISA: Schrecklich. Und wenn er plötzlich auffordert? Ich hab gut dreißig Jahre nicht getanzt. Und das, was ich einst konnte, wird heute nicht mehr getanzt.

MAJA: Reg dich nicht auf, ich denke, dass er auch nicht mehr jeden Tag in die Discotheken springt.

LARISA: Lasst uns wenigstens den Tango wiederholen.

MAJA: Wer tanzt jetzt Tango?

LARISA: Und was tanzt man heute?

INNA: Keine Ahnung. Ruf deine Tochter an, frag die.

LARISA: Meiner Tochter ist auch schon lange nicht mehr nach tanzen. Ich ruf lieber der Enkelin an.

INNA: Dann ruf doch an.

LARISA: (Wählt eine Nummer.) Grüß dich Sveta. Wie geht´s?.. Ach, du hast´s eilig?.. Sag mir bloß, was heute die Leute tanzen? Ich meine, welche Tänze?.. Wofür ich das wissen will? Nun… Wir lösen Kreuzworträtsel. Sechs Buchstaben. Weißt du das nicht? Und keine sechs Buchstaben?.. So… Verstehe. (Legt den Hörer auf.)

MAJA: Also, was?

LARISA: Sie hat gesagt, dass es keine Bezeichnung gibt. Man tanzt einfach, das ist alles. Wie sie gesagt hat, „jeder macht das, was er am besten kann“.

MAJA: Nun gut, umso besser. Üben wir? Mach Musik.

LARISA: (Schaltet Musik ein.) Wie sollen wir denn tanzen?

MAJA: Im Freistil. Es ist doch gesagt worden, „jeder macht das, was er am besten kann“. (Larisa und Maja beginnen zu tanzen.) Inna, mach mit!

LARISA: Frischen wir das Alte auf.

(Die Schönheiten tanzen, zuerst langsam, dann kommen sie in Fahrt und bewegen sich immer temperamentvoller und schneller. Inna macht unwillig mit. Der Tanz endet. Die Frauen fallen kraftlos auf das Sofa und in die Sessel.)

INNA: (Wedelt sich mit einem Fächer Abkühlung zu, den sie Larisa weggenommen hat.) Das war vielleicht ein Tanz… Jene Fürstin Metternich sagte, als sie mit achtzig Jahren lernte, Charleston zu tanzen: „Zu meiner Zeit konnte sich eine Frau solche Körperbewegungen nur im Bett erlauben“.

MAJA: (Schwer atmend.) Das war wunderbar… ich will nochmal. Larisa, gib mir eine Herz-Tablette und wir machen weiter.

INNA: Spart die Kräfte für den Abend auf, dort könnt ihr euch austoben. Zeit, zu gehen.

LARISA: Schon? Ich hab Angst. Sag, worüber wir mit ihm reden sollen?

INNA: Worüber du willst.

MAJA: Hab doch keine Angst. Ich werd reden. An mir soll die Sache nicht scheitern.

INNA: Maja, stell bloß Larisa bei dem Treffen nicht in den Schatten. Du bist immer im Vordergrund und dein Mund ist nicht zu schließen. Vergiss nicht: Heute bist du nur die Freundin, die zweite Geige. Nur falls er Larisa nicht passt aber dir gefällt, dann tauscht ihr die Rollen.

MAJA: Keine Angst. Larisa wird die erste Geige sein, aber ich kann doch wenigstens Kontrabass sein.

LARISA: (Immer mehr von Angst erfasst.) Ich werde keine Geige sein, weder erste noch zweite. Ich komm dort ohne Inna überhaupt nicht zurecht. (Zu Inna.) Du hast mit ihm einen Monat lang korrespondiert, wer weiß, worüber, und ich muss dort sitzen und die Ohren spitzen. Er fragt: „Wissen Sie, wie viel heute Browser kosten?“ Und was soll ich antworten? Du hast uns doch überhaupt nichts erzählt.

INNA: Das stimmt. Aber jetzt ist nichts mehr zu machen.

LARISA: Dann geh mit uns.

INNA: Ich? Du bist verrückt geworden. Zu dritt gehen?

LARISA: Und was ist dabei?

INNA: Larisa, komm zu dir! Ihm reicht das Geld nicht für vier.

LARISA: Ich werd bezahlen.

MAJA: Der bekommt einen Schlaganfall, wenn er das ganze Dreigespann zu Gesicht bekommt.

LARISA: Ich werd nicht ohne Inna gehen, und aus! Und überredet mich nicht.

INNA: Aber ich bin ja nicht mal angezogen. Ihr seid hier wie Schaufensterpuppen herausgeputzt und ich wie eine graue Maus.

LARISA: Du bist auch so hübsch.

INNA: Du suchst doch vor lauter Angst nur einen Vorwand, zu kneifen.

MAJA: Wirklich, das ist nicht gut. Inna hat sich für dich bemüht, hat einen Mann gefunden, und du zierst dich.

LARISA: Sagt, was ihr wollt, aber ohne Inna geh ich nicht. (An Inna.) Was macht es dir schon? Setz dich wenigstens ein Stündchen zu uns, bis wir uns eingewöhnen.

MAJA: (An Inna.) Was soll man mit ihr machen? Geh an meiner Stelle.

INNA: Was heißt das, „an meiner Stelle“? Larisa, mach keinen Blödsinn. Maja, gib ihr ein Beruhigungsmittel, sie zittert ja ganz.

(Maja gibt Larisa einige Tropfen in ein Glas und reicht es ihr.)

LARISA: Maja, du hast dich vorbereitet, angezogen – und gehst nicht? Dann geh ich auch nicht.

(Larisa setzt sich, und an ihrem Blick sieht man, dass sie vor Angst gelähmt ist und keine Anstalten macht, sich vom Fleck zu bewegen.)

INNA: Zum Teufel mit euch, gehen wir alle drei! Ich setz mich eine halbe Stunde zu euch und geh dann heim.

LARISA: (Erleichtert.) Danke!

INNA: Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich nicht mit euch eingelassen.

MAJA: Larisa, aber ich geh mit dir heim und übernachte hier, gut? Natürlich nur, falls du ihn nicht zu dir einlädst.

INNA: Lasst uns endlich gehen, sonst kommen wir noch zu spät.

(Die Frauen machen sich bereit zu gehen. Plötzlich bleibt Maja stehen.)

MAJA: Halt! Ein letzter Blick in den Spiegel.

(Alle stellen sich vor dem Spiegel auf.)

INNA: Nun, Hals- und Beinbruch!

(Die Frauen gehen hinaus.)

 

 

Vierte Szene

(In Larisas Zimmer am selben Abend. Larisa und Maja treten ein. Sie kommen aus dem Café zurück und sehen erregt und unzufrieden aus.)

MAJA: Na, Gott sei Dank haben wir uns nachhause geschleppt. (Sie wirft die Handtasche weg und humpelt zum Sofa.) Als Allererstes muss ich diese verdammten Schuhe ausziehen. (Setzt sich aufs Sofa und zieht nicht ohne Mühe die Schuhe aus, wirft sie zur Seite, atmet erleichtert auf und massiert sich die Zehen.) Endlich!

LARISA: Tun sie weh?

MAJA: Was glaubst du denn? Mich kränkt, dass er nicht mal auf meine Beine geschaut hat. Ich hätte Galoschen anziehen können.

LARISA: Mein Kleid hat er auch nicht beachtet. Wenigstens hat er nichts dazu gesagt. Und ich hab den Gürtel so zugezogen, dass ich kaum atmen konnte. (Öffnet ihren Gürtel.)

MAJA: Ich versteh überhaupt nicht, wohin Männer schauen.

LARISA: Vielleicht ist er mehr am Intellekt interessiert?

MAJA: Ach was, Frauen haben viel interessantere Anreize, als Intellekt. Gut, wenn es hinten und vorne nichts gibt, dann schaltet man natürlich ungewollt auf Kultur… Nein, ich bin von ihm enttäuscht. Ist das denn ein Mann?

LARISA: Aber warum denn? Er ist sympathisch, höflich… Und ein schönes Abendessen hat er bestellt… (Seufzt.) Schade.

MAJA: Bedauerst du es sehr?

LARISA: Ehrlich gesagt, ja.

MAJA: Dann hat er dir also gefallen?

LARISA: Das ist es nicht. Nur, wenn du hoffst, dich vorbereitest und dann mit leeren Händen da stehst…(Traurig.)  „Zu wissen, dass es dein Schicksal ist, ewig alleine zu sein“.

MAJA: Du bist selbst schuld. Als er ganz zu Anfang gefragt hat: „Wer ist denn von Ihnen „Eberesche?“, hättest du klipp und klar sagen sollen „ich!“ Aber du orakelst: „Wer Ihnen von uns dreien am besten gefällt, die wird die Eberesche sein“.

LARISA: Und er antwortet so galant: „Sie alle gefallen mir”.

MAJA: Und da tritt Inna auf: „Sie sind sehr galant. Aber alle drei bekommen Sie nicht“.

LARISA: Und er antwortet noch höflicher: „Das ähnelt dem Gericht von Paris: Sie zwingen mich, zwischen drei Göttinnen auszuwählen“.

MAJA: Ja, der Anfang war schön. Aber danach…

LARISA: Ja, genau… Ein Abend der Überraschungen.

MAJA: Nach einem solchen Treffen muss man sich entspannen. Findet sich bei dir irgendetwas dazu? Stell ´s auf den Tisch, jetzt trinken wir, wie es sich gehört. Hier schaut keiner auf uns.

(Larisa stellt Gläser auf den Tisch und gießt ein.)

LARISA: Also, trinken wir aus und vergessen alles?

MAJA: Nein, ich hab nicht vor, das zu vergessen. (Die Frauen trinken aus.) Aber wie sich Inna aufgeführt hat!

LARISA: Red bloß nicht davon.

MAJA: Da verlässt du dich einmal auf eine Freundin…

LARISA: Wer hätte das gedacht? Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt zu ihr verhalten soll.

MAJA: Du lässt sie ganz einfach nicht zu dir herein. Das ist alles. Ich, zum Beispiel, will sie nicht mehr sehen.

(Inna tritt ein. Sie ist immer noch im selben bescheidenen Kleid, hat sich aber irgendwie verändert. Der Gang ist beschwingter, die Stimme weicher, um die Lippen spielt ein Lächeln. Sie hält einen Blumenstrauß in den Händen.)

INNA: (Freudig.) Grüß euch! (Larisa und Maja antworten nicht.) Ich hab mich ein bisschen länger im Café aufgehalten. Ihr habt die Blumen vergessen. Wohin soll ich sie stellen? (Larisa und Maja schweigen weiter. Inna wird besorgt. Ihr Lächeln verschwindet.) Was schweigt ihr denn?

MAJA: (Beachtet Inna demonstrativ nicht und wendet sich an Larisa.) Lass uns trinken. Auf ordentliche Frauen. Auf gute Freundinnen, die bereit sind, zu Hilfe zu kommen, auf bescheidene, ernsthafte, auf die, die nicht hinter Männern her rennen, sondern vor dem Computer sitzen oder Bücher lesen, die vom Pädagogischen Rat genehmigt sind.

LARISA: Und du kennst solche Frauen? Ich persönlich hab keine solchen getroffen.

MAJA: Dann trinken wir auf uns beide. Ehrlich gesagt sitzen wir nicht vor Computern und kennen uns im Internet nicht aus, dafür betrügen und verraten wir niemanden. Auf uns beide, Freundin!

(Beide stoßen an und trinken.)

INNA: Mädchen, ich versteh nicht, seid ihr - beleidigt?

MAJA: Larisa, mir scheint, hier ist jemand.

LARISA: Das schien mir auch so.

MAJA: Hast du jemanden erwartet?

LARISA: Niemanden.

MAJA: Du hättest die Tür abschließen sollen. Kennst du diese Person?

LARISA: Seh ich zum ersten Mal.

MAJA: Und, wie ich hoffe, zum letzten Mal. Erklär ihr, dass Außenstehende hier nicht erwünscht sind.

INNA: Hört auf, Blödsinn zu machen. Womit seid ihr nicht zufrieden?

LARISA: Und du fragst noch? Hast eine Vorführung veranstaltet, als ob sie für mich wäre, und er hat von der ersten Minute an dir geklebt, wie ein angebranntes Omelette in der Pfanne und hat sich den ganzen Abend lang nicht losgerissen.

INNA: Aber ich bin doch nicht schuld, dass es so gekommen ist.

MAJA: Und wer ist schuld?

INNA: Hab ich denn mit ihm angebändelt? Mich aufreizend verhalten? Hab mich herausgeputzt, wie ihr? Ich wollte doch überhaupt nicht gehen. Ihr habt mich selbst mitgeschleppt.

LARISA: Und nichts desto weniger hast du mit ihm ununterbrochen geredet.

INNA: Ja, geredet. Aber worüber? Ich hab die ganze Zeit euch über alle Maßen gelobt.

MAJA: Und dafür hast du von ihm ein Kompliment bekommen: „Das, warum Sie mir gefallen, ist Ihre Bescheidenheit“.

LARISA: Nein, nicht so. „Das, warum Sie mir NOCH MEHR gefallen, ist Ihre Bescheidenheit“.

MAJA: Richtig. „Noch mehr“.

INNA: Ich seh im Moment nicht, worin mein Verbrechen besteht. Darin, dass ich ihm gefallen hab?

MAJA: Und darin auch. Das hättest du nicht zulassen dürfen.

INNA: (Mischt sich ein.) Wahrscheinlich hast du Recht.

LARISA: (Nach einem Schweigen.) Sag ehrlich, und dir hat er auch gefallen?

INNA: (Verlegen.) Ja.

MAJA: Und du sagst noch, dass du unschuldig bist.

INNA: Ich hab selbst nicht bemerkt, wie das passiert ist. Er weiß so viel, ist so scharfsinnig… Mir war es interessant mit ihm, ich hab mich von dem Gespräch fesseln lassen… Wahrscheinlich bin ich wirklich schuldig. Ich hätte aufstehen und gehen sollen.

MAJA: Die ganze Zeit hat sie sich als so fehlerlos dargestellt, hat uns so energisch als leichtsinnig beschuldigt, und selbst, wie es sich zeigt, ist sie bereit, sich ans erste Jackett zu kleben.

INNA: Ich hab mich an nichts geklebt. Ich hab ihm sogar meine Telefonnummer nicht gegeben, und er kennt meinen Namen nicht.

MAJA: Hör auf zu heucheln und geh weg von hier.

(Pause.)

INNA: Wofür diese Härte? Hab ich eurer Meinung nach kein Recht auf Glück?

MAJA: Hast du nicht, wenn du es anderen wegnimmst.

INNA: Wenn du Larisa meinst, dann hab ich ihr nichts weggenommen. Außerdem hat Larisa Kinder, Enkel, aber ich bin völlig einsam. Schon so viele Jahre! Versteht ihr das denn nicht? Es gab eine Zeit, da hab ich noch an die Zukunft geglaubt, irgendetwas erwartet, aber dann wurde klar, dass Glück nicht etwas für mich ist. Und jetzt, wo eine winzig kleine Hoffnung aufgekommen ist, vernichtet ihr mich dafür.

LARISA: Du hast doch selbst gesagt, wie gut es dir alleine geht.

INNA: Hab ich. Weil ich Angst vor neuen Enttäuschungen hatte. Und wer einsam ist, den verrät und verstößt man nicht.

LARISA: Du machst dir Gedanken, weil du keine Kinder hast. Aber wenn du welche hättest, glaubst du, dass es besser wäre? Hier, ich hab Kinder und Enkel, aber bin ich etwa nicht einsam? Sie sind erwachsen geworden, und sie brauchen mich nicht mehr. Sie kommen einmal im Jahr zum Geburtstag und verschwinden bis zum nächsten Jahr.

INNA: Sollen sie einmal im Jahr kommen, sollen sie überhaupt nicht kommen, aber wenigstens wissen, dass es ihnen gut geht, dass es sie gibt, dass du nicht allein bist auf der Welt…

LARISA: Dafür verletzt dich ihre Undankbarkeit nicht. Ehrlich, ich klage sie in nichts an. Wer erzieht die Kinder? Wir selbst. Deshalb bin ich auch selbst schuld.

MAJA: Was brüstet ihr euch mit eurem Unglück? Ich könnte weinen, wenn  ich euch zuhöre, aber meine Wimpern sind getuscht. Nehmt euch ein Beispiel an mir: Ich erlaub mir nicht, den Kopf hängen zu lassen. Wenigstens vor Leuten.

INNA: Du hast gut reden. Du arbeitest im Theater, du hast ein interessantes Leben. Aber ich hab niemanden und nichts.

MAJA: Das ist es ja gerade, dass ich schon lange nicht mehr im Theater arbeite. Die Theater werden reformiert, es gibt Kündigungen, dies und jenes, kurz gesagt, mich hat man, wie man so schön sagt, auf Rente gesetzt, mit anderen Worten, gefeuert. (Nachdem sie dieses Geständnis heraus gerufen hat, wiederholt sie mit zusammengepressten Lippen.) Hinauskomplimentiert  haben sie mich aus dem Theater.

LARISA: (Tief betroffen.) Wann?

MAJA: Ach, bald ist es ein Jahr.

LARISA: Warum hast du uns denn nichts gesagt

MAJA: Wozu?

LARISA: Und wozu musstest du uns täuschen?

MAJA: Ich hab mich eher selbst getäuscht. Damit es leichter würde. Stellst du dir vor, wie schrecklich das ist – sich plötzlich auf der Straße zu befinden, sich überflüssig zu fühlen, von niemandem gebraucht. Es gab zu tun, gab Pläne, Hoffnungen, Erfolge und Enttäuschungen… Und was jetzt? Brei, Quark und Tabletten?

LARISA: Und ich hör noch: Du hast uns die ganze Zeit von deinen erstklassigen Rollen erzählt, aber zu den Vorführungen nicht eingeladen. Einmal bist du Lady Macbeth, ein andres Mal die Königin von Frankreich…

MAJA: Was für eine Königin denn… Gut, dass keine Hexe, um Kinder bei den Vormittagsvorstellungen zu erschrecken.

LARISA: Von was lebst du denn jetzt? Doch nicht etwa von der Rente?

MAJA: Du weißt doch: Die Rente ist nicht zum Leben, sogar für eine anständige Beerdigung reicht sie nicht. Ich hab einen anderen Beruf gefunden.

LARISA: Und welchen?

MAJA: Meister für Nagelservice.

LARISA: Und was ist das?

MAJA: Du hältst mit dem Leben nicht Schritt. So nennt man jetzt eine Spezialistin für Maniküre.

LARISA: Vom Schauspiel zur Maniküre?

MAJA: Na und? Das ist angesehener und einträglicher.

LARISA: Schade.

MAJA: Mich braucht man nicht zu bedauern. Jeder muss sich irgendwann mal von seinen bisherigen Dingen trennen. Viel schlechter ist etwas anderes. Ich hatte, wie ihr wisst, ganze drei Ehemänner, aber Kinder – kein einziges. Mal wollte ich nicht, mal wollten sie nicht, mal klappte es nicht… Am Ende weder Arbeit, noch Ehemann, noch Kinder, noch Enkel. Mutterseelenalleine. Deshalb bleibt nichts anderes übrig, als die Rolle der lustigen, gewandten, verführerischen Löwin zu spielen, was unserer ach so fehlerfreien und klugen Inna nicht gefällt. Aber ich betrüge Freundinnen wenigstens nicht und nehme ihnen keine Männer weg.

LARISA: Maja, es reicht!

MAJA: Nein, es reicht nicht! Hast du vergessen, wie sie mich vor dem Treffen eingewiesen hat? (Ahmt Inna nach.) „Denk dran, Maja, heute bist du nur Freundin, zweite Geige“. Wie kann uns jetzt diese dritte Geige in die Augen schauen?

INNA: Was geschehen ist, ist geschehen. Was soll ich denn jetzt machen?

MAJA: Was machen? Hast du das noch nicht begriffen? Weggehen. Du bist hier unerwünscht.

LARISA: Maja!

(Maja schweigt.)

INNA: Gut, ich geh. Und komm nicht mehr wieder. (Geht zum Ausgang.)

LARISA: Inna, wart doch, wohin gehst du?

(Inna bleibt stehen, als ob sie wanken würde, geht dann aber doch schnell hinaus.)

LARISA: Was hast du angestellt. Scheint es dir nicht, dass wir uns wie gewöhnliche Weiber benommen haben? Gibt es keinen Mann – herrscht Freundschaft, gibt es einen Mann – herrscht keine Freundschaft.

MAJA: (Sie bereut schon.) Wahrscheinlich war ich wie immer übereifrig und voreilig. Aber andrerseits, denk doch: Die alte Jungfer, die Männerhasserin, und plötzlich schnappt sie dir den Bräutigam vor den Augen weg.

LARISA: Ich glaub, du bist sauer, weil du selbst auf ihn spekuliert hast.

MAJA: Na gut, auf unseren gemeinsamen Bräutigam.

LARISA: Und wenn schon ehrlich, dann ist er genauso unser, wie ihrer. Und sogar mehr, als unser.  Denn sie hat ihn doch ausgewählt und mit ihm Briefwechsel geführt… Klar, dass er mehr zu ihr passt. Ich war zuerst auch sauer, hab aber begriffen, dass ich nicht Recht hab.

MAJA: Du hast ein zu weiches Herz.

LARISA: Mein Herz ist so, wie es ist. Und sie tut mir leid. Sie ist klug, treu, hingebungsvoll, und solche haben gewöhnlich kein Glück. Verstehst du, was ich meine?

MAJA: Nicht besonders.

LARISA: Ja, richtig, du weißt ja gar nichts. Du hast damals in einer anderen Stadt gearbeitet.

MAJA: Von was weiß ich nichts?

LARISA: Unwichtig.

MAJA: Red nicht in Rätseln.

LARISA: Sie glaubte, dass wir nicht dahinter kommen, aber ich hab´s zufällig erfahren.

MAJA: Was hast du erfahren?

LARISA: Moment, ich ruf zuerst an. (Nimmt das Handy.) Inna? Komm zurück… Ich fleh dich an, sei nicht böse. Komm zurück, ich bitte dich sehr. Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen. Nein, nicht am Telefon. KommMaja? Maja ist schon gegangen. Sehr gut, ich warte. (Beendet das Telefonat.) Sie kommt gleich.

MAJA: Nun, was wolltest du erzählen?

LARISA: Als sie dreiundzwanzig war, hat sie sich in einen verheirateten Mann verliebt. Er hat mit ihr über Mozart gesprochen, über die italienische Renaissance und über die Poesie, kurz über alles, nur nicht über Heirat. Das heißt, über Heirat auch: Er sagte, dass er seine Frau nicht liebe, dass er mit ihr praktisch nicht lebe, dass er sich bald scheiden ließe, noch ein halbes Jahr, ein Jahr, bis das Kind herangewachsen sei und so weiter. Kurz, er hat ihr Märchen erzählt. Aber sie hat daran geglaubt und gewartet. Inzwischen, ungeachtet dessen, dass er mit der Frau „nicht lebe“, kam irgendwie ein zweites Kind auf die Welt… Nun, wie so üblich, immer dieselbe Geschichte. Und weißt du, wie lange sich diese Verbindung hingezogen hat?

MAJA: (Zuckt mit den Schultern.) Zwei drei Jahre?

LARISA: Vierzehn Jahre! Erst dann  haben sie sich endgültig getrennt. Danach hat sie noch fünf Jahre lang die Wunden geleckt. Seit jener Zeit, glaub ich, hat kein einziger Mann sie mehr berührt. Und sie geht ihnen aus dem Weg.

MAJA: Und das hat sie sogar vor uns verheimlicht?

LARISA: Sie ist stolz. Sie will nicht weggeworfen und unglücklich aussehen.

MAJA: Warum hast du mir das nicht früher erzählt? Ich hätte mir viele dumme Scherze an ihre Adresse verkniffen… Und, weißt du was? Wir hätten ihr diesen Mann sofort überlassen sollen. Wir beide waren doch verheiratet, wissen wie das ist, aber sie nicht. Soll sie auch dieses Glück schmecken.

(Inna kommt herein. Als sie Maja erblickt, bleibt sie vorsichtig stehen.)

LARISA: Komm rein, komm rein!

INNA: (Auf der Schwelle stehend.) Du wolltest mir etwas sehr wichtiges sagen.

MAJA: Inna, zuerst teil ich dir eine sehr wichtige Nachricht mit: Ich bin eine Idiotin und ein Luder.

INNA: Das ist mir nicht neu.

MAJA: Ja? Mir schien, das weiß nur ich.

INNA: Und wenigstens noch zwei deiner Freundinnen und drei deiner von dir abgehauenen Ehemänner.

MAJA: Du ärgerst dich zu recht. Ich hab mich scheußlich benommen. Ich verachte mich.

INNA: Weißt du, was ich dir sage? Obwohl du eine Idiotin und ein Luder bist, mag ich dich. (Geht auf Maja zu.)

MAJA: (Freudig.) Das heißt Frieden?

INNA: Was wollen wir denn ohne einander machen?

(Inna und Maja umarmen sich.)

LARISA: (Freudig.) Das ist gut. (An Inna.) Setz dich, trink etwas!

INNA: Danke, ich will nicht.

LARISA: Aber wir beide haben einen Kleinen zu uns genommen.

INNA: Das seh ich.

LARISA: Du musst unseren Ausrutscher entschuldigen.

INNA: Alles in Ordnung. Wisst ihr was? Als ich von euch wegging hab ich gedacht, wozu soll ich mein Leben ändern? Das endet mit nichts Gutem. Und ich hab beschlossen, mich nicht mehr mit ihm zu treffen.

LARISA: Er wird dir schreiben.

INNA: Ich werd ihm nicht antworten.

MAJA: Er wird anrufen.

INNA: Aber er weiß meine Nummer nicht.

MAJA: Ich meine, du machst einen Fehler.

INNA: Mein ganzes Leben ist ein Fehler.

MAJA: Er ist ein Klassemann. Wie gemacht für dich.

INNA: Hört auf zu trinken, lasst uns Karten spielen. Das beruhigt uns alle.

(Larisa räumt den Tisch ab und teilt Karten aus.)

MAJA: Wer kommt heraus?

INNA: Larisa.

(Sie beginnen zu spielen.)

LARISA: Zurzeit haben wir schöne Tage, nicht wahr? Der Flieder blüht…

INNA: Ich mag den Frühling nicht.

MAJA: Ich auch nicht. Für uns hat der Herbst schon begonnen. Allerdings kein goldener.

INNA: Schon kein Herbst mehr. Winter.

MAJA: Man muss jede beliebige Zeit und jedes Alter mit Dankbarkeit annehmen. In unserem Herbst gibt es auch  seine Schönheit und seine Liebreize. Eine kurze aber wundervolle Zeit.

INNA: Ich weiß nicht, ob sie wundervoll ist, aber sie ist kurz.

MAJA: (Sie findet ihren Optimismus wieder.) Macht nichts, dass der erste Pfannkuchen ein Klumpen geworden ist. Früher oder später erreichen wir das Unsere.

INNA: Übrigens, Maja, ich hab es nicht geschafft dir zu sagen, dass ich dir einen ausgezeichneten Bräutigam gefunden habe. Ich hab ihn passend zu deinem Charakter ausgesucht. In ein paar Tagen will er dich in ein Café einladen.

MAJA: Danke. Aber diesmal werd ich alleine zum Treffen gehen. Und in anderen Schuhen.

INNA: Also, vielleicht ist es Zeit, nachhause zu gehen? Es ist schon spät.

MAJA: Ja, Zeit auszuruhen. Der Tag war nicht einfach. (Steht auf, wobei sie sich den Rücken hält.)

LARISA: Wieder der Rücken? Tut´s weh?

MAJA: Ja. Besonders wenn ich lache.

LARISA: Du wolltest doch bei mir bleiben.

MAJA: Nein, ich fahr heim.

(Die Frauen verabschieden sich. Das Telefon klingelt.)

LARISA: Das ist Natascha. (Sie nimmt den Hörer ab.) Hallo?

MÄNNLICHE STIMME: Guten Abend. Entschuldigen Sie, dass ich so spät anrufe, aber ich kann einfach nicht bis morgen warten. Ich hab schon Sehnsucht nach Ihnen.

LARISA: (Verwundert.) Wem rufen Sie denn an?

MÄNNLICHE STIMME: Liebe Eberesche, erkennen Sie mich nicht? Allerdings haben Sie ein seltsames Telefon. Es verzerrt manchmal Stimmen.

LARISA: (Hält den Hörer zu.) Er denkt, dass das Innas Telefon ist. Sie hat ihm doch keine andere Nummer gegeben. Inna, sprichst du mit ihm?

(Inna schüttelt ablehnend den Kopf.)

MAJA: Was fragst du sie denn noch? (Nimmt Larisa den Hörer weg und drückt ihn Inna mit Gewalt in die Hände.)

MÄNNLICHE STIMME: Hallo?

INNA: (Mit leiser Stimme.) Ja, ich höre Sie.

MÄNNLICHE STIMME: Ach, jetzt habe ich Ihre Stimme erkannt.

INNA: Weshalb rufen Sie an?

MÄNNLICHE STIMME: Ich wollte nur sagen, dass Sie – diejenige sind, die ich lange gesucht habe. Ich meine nicht das Internet und nicht diese Anzeigen… Ich habe Sie das ganze Leben lang gesucht.

MAJA: (An Larisa, flüsternd.) Dreh die Lautstärke zurück.

MÄNNLICHE STIMME: Hören Sie mich?

(Larisa nimmt Inna den Hörer aus der Hand, schaltet den Lautsprecher aus und gibt Inna den Hörer zurück.)

INNA: (Leise.) Ja, ich höre Sie.

LARISA: (Zu Maja.) Gehen wir in die Küche, du hilfst mir, das Geschirr zu spülen.

(Larisa und Maja gehen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Inna spricht weiter am Telefon. Ihre Stimme wird immer weicher, und in das Gesicht kehrt ein Lächeln zurück.)

INNA: DankeDas scheint Ihnen so. Sie kennen mich doch überhaupt nicht… Treffen? Gleich jetzt? Aber wir haben uns doch erst vor ganz kurzem verabschiedet… Sie sind glücklich? Wirklich? Ich auch…

(Das Gespräch geht weiter, aber wir werden ihm nicht weiter zuhören, sondern uns an dieser Stelle von unseren Schönheiten verabschieden und ihnen Gesundheit und Glück wünschen.)

 

Ende