Valentin Krasnogorov

 

 

 

 

 

 

Familienszenen

Dramolett

 

 

 

 

Aus dem Russischen von Renate Lange

 

 

 

 

 

 

 

 

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Handelnde Personen:

 

Ehemann

Ehefrau

 

 

Eine ganz normale Wohnung in einem ganz normalen Haus. Mann und Frau haben gerade zusammen Tee getrunken, und der Mann entscheidet sich nach langen Schwankungen, eine schwierige Erklärung zu beginnen.

 

MANN. Schatz, ich wollte schon langer mit dir ernsthaft sprechen. Es geht um eine wichtige Entscheidung, die ich getroffen habe, die jedoch uns beide betrifft. Ich habe dieses Gespräch monatelang vor mir hergeschoben, doch es geht einfach nicht, noch länger zu schweigen. Letztlich wirst du wahrscheinlich selbst erraten können, worum es sich handelt, und dann würde ich dir nichts Neues sagen... Das ist sogar besser, denn dann würdest du keine unangenehme Überraschung erleben. Mit einem Wort... Warum sagst du nichts?

FRAU. Ich höre dir zu, Schatz

MANN. Unsere Ehe war niemals ideal. Aber in letzter Zeit ist sie für uns beide zu einer wahren Folter geworden. Ich habe das besonders klar erkannt, seitdem ich einen Menschen getroffen habe, dessen Ansichten über das Leben... Kurz gesagt... Werde ich den ganzen Abend allein sprechen, oder sagst du vielleicht doch wenigstens etwas?

FRAU. Sei nicht böse Schatz, ich höre dir zu.

MANN. Ja...Was wollte ich sagen?

FRAU. „einen Menschen getroffen habe, dessen Ansichten über das Leben.“

MANN. Ach so. Also, ich habe einen Menschen getroffen, der das Leben genauso sieht wie ich es tue, der meine Wünsche errät, bevor ich sie selbst kenne.

FRAU. Ist das jemand von deinen Untergebenen?

MANN. Nein! Wie kommst du auf meine Untergebenen?

FRAU. Ich habe einfach nur gedacht, dass, wenn das ein Mensch ist, der deine Wünsche errät…

MANN. Bitte unterbrich mich nicht!

FRAU. Nein, mache ich nicht, ich dachte nur.

MANN. Wirst du irgendwann mal den Mund halten?

FRAU. Du hast mich doch aber selbst gebeten, etwas zu sagen.

MANN. Und jetzt bitte ich dich, den Mund zu halten.

FRAU. Gut gut, Schatz.

MANN. Verflixt, was habe ich gesagt?

FRAU. „bevor ich sie selbst kenne.“

MANN. Wen kenne ich?

FRAU. Ihn.

MANN. Wer ist „Er“? Was ist das für ein Quatsch.?

 FRAU. Der Wunsch.

MANN. Ach ja...Also, Schatz, hör mich ganz ruhig an. Es ist die Zeit gekommen, einen Schritt zu unternehmen, der...Schließlich wird es für uns beide besser sein. Ich hoffe, du lässt dich von diesem Schlag nicht unterkriegen. Ich bin zu dem Fazit gekommen...Mit anderen Worten. Ich bin zu dem Fazit gekommen... Dass wir...

FRAU. Ja, Schatz?

MANN. Dass wir... Dass wir uns scheiden lassen müssen.

FRAU. Gut, Schatz

MANN. Was ist „gut“?

FRAU. Das, was du gesagt hast. Du sprichst immer richtig und vernünftig. Ich bin nicht umsonst auf dich stolz.

MANN. Warte mal... Vielleicht hast du mich nicht richtig verstanden?

FRAU. Du bist zu dem Fazit gekommen, dass wir uns scheiden lassen müssen. Was kann man da missverstehen?

MANN. Nun, und... Und was denkst darüber?

FRAU. Du weißt doch, dass ich vom ersten Tage unserer Ehe an mir zur Pflicht gemacht habe, in allen Dingen auf dich zu hören.

MANN. Das heißt, du bist nicht dagegen?

FRAU. Natürlich nicht. Soll ich dir helfen, deine Sachen zu packen?

MANN. „Sachen“...wie ruhig du das sagst! Ich habe alles erwartet, nur das nicht. Bist du nicht traurig, dass wir auseinandergehen?

FRAU. Nein, Schatz, Warum soll ich traurig sein? Du hast doch selbst gesagt, dass es so für uns beide besser ist.

MANN. Ist doch wurscht, was ich gesagt habe. Hast du etwa keine eigene Meinung?

FRAU. Nein, Schatz, du weißt doch, dass ich alles mit deinen Augen sehe. (holt den Koffer und legt Sachen des Mannes hinein.)

MANN. Was machst du?

FRAU. Nimmst du gleich alles mit oder nur das Notwendigste? Das andere kann ich später nachschicken.

MANN. Aber ich will doch überhaupt nirgends hingehen! Wenigstens nicht heute.

FRAU. Wie du willst, Schatz. Wenn es sein muss, kann ich auch gehen (setzt sich hin, lässt ihren Blick durch das Zimmer schweifen, lacht leise.)

MANN. Was lachst du?

FRAU. Ich bin auch gerade erst von Arbeit gekommen. Und als ich hereinkam, habe ich gleich gedacht: was muss ich noch im Haushalt machen. Und jetzt ist es mir plötzlich klar geworden, dass ich frei bin. Verstehst du – frei!

MANN. Man könnte denken, dass ich dich sehr eingeengt habe.

FRAU. Nein, aber ich hatte dieses Pflichtgefühl. Ich hatte Pflichten. Und jetzt bin ich frei. Das ist ganz ungewöhnlich. Vielleicht gehe ich ins Theater? Ich schaffe es vielleicht noch.

MANN. Warum ins Theater?

FRAU. Warum nicht? Soll ich vielleicht hier sitzen und flennen? Schlägst du das vor?

MANN. Nein, natürlich nicht, aber... Warum plötzlich ins Theater?

FRAU. Du hast recht, das ist dumm von mir. (Schüttet aus dem Koffer die Sachen des Mannes aus und fängt wieder an zu packen.)

MANN. Was hast du vor?

FRAU. Ich packe meine Sachen.

MANN. Du willst weggehen?

FRAU. Was soll ich sonst machen?

MANN. Wohin?

FRAU. Erst einmal zu einer Freundin, und dann miete ich mir eine kleine Wohnung. Sag deiner Frau, dass sie heute schon hier einziehen kann.

MANN. Meiner Frau? Ach so.

FRAU. Darf ich ihr einen Zettel schreiben?

MANN. Das fehlte noch! Irgendwelche Gefühlsausbrüche wie „Schlange, die mir den Mann gestohlen hat...“?

FRAU. Wie kannst du so etwas denken? Ich muss nur alles übergeben. Ein Haushalt ist eben ein Haushalt.

MANN. Du kannst mündlich sagen, was du für notwendig hältst.

FRAU. Gut, Schatz, versuche, dir alles zu merken. Erstens, sie soll deinen Pullover zu Ende stricken. Ich habe schon fast alles fertig, nur ein Ärmel fehlt noch. Wenn sie das Muster nicht versteht, soll sie mich anrufen. Die Unterlagen für die Miete, das Telefon, den Strom und so weiter liegen im rechten Schreibtischkasten. Ich zahle immer am Anfang des Monats. Sag ihr, dass sie es nicht vergessen soll. Wenn sie die Wäsche in die Waschmaschine wirft, soll sie deine fliederfarbenen…  na, du weißt schon die warmen... noch mal kontrollieren, sie müssen, glaube ich, gestopft werden. Es wäre auch nicht schlecht, wenn sie die Fenster putzen würde, Am Sonnabend bekommt ihr doch Besuch: wieder dein oberlangweiliger Chef. Vergiss nicht, dass er Lammschnitzel mag. Na, ich denke schon, dass sie das richtige Fleisch aussuchen kann. Übrigens, Schatz, du hast immer noch nicht die guten Küchenmesser gekauft, um die ich dich gebeten hatte. Du wirst doch nicht zulassen, dass sie nicht weiß, womit sie Kartoffeln schälen und Kohl schneiden soll? Zeige ihr, wenn sie es noch nicht weiß, wo sie den Müll hinbringen muss.

MANN. Mein Gott „Müll“!

FRAU. Und im Laufe der Zeit wird ihr schon selbst klar werden, was sie machen muss. Ist sie hauswirtschaftlich?

MANN. Ich weiß nicht. Wir haben darüber einfach nicht gesprochen... Aber warum gehst du denn so blitzartig ? Ich jage dich doch nicht weg.

FRAU. Nein Schatz. Nachdem, was du gesagt hast, wäre es einfach unmoralisch, hier zu bleiben. Nicht wahr? (Sie schließt den Koffer, setzt sich und denkt nach.) Komisch.

MANN. Was ist komisch?

FRAU. Ich bin zweiunddreißig. In meinem Leben gab es nur einen Mann.

MANN. Ich verstehe nicht, wozu du das sagst.

FRAU. Ich habe bloß gedacht. dass ich jetzt andere haben werde. Ist das nicht wirklich komisch?

MANN. Dieser Gedanke macht dir offensichtlich Vergnügen.

FRAU. Nein Schatz, nein. Aber ich sage offen, dass ich ein bisschen neugierig bin. Das ist vielleicht sehr unschön. Verzeih mir. (Nimmt den Koffer und geht zum Ausgang.)

MANN. Du gehst wirklich… Warte! Man kann doch nicht so gleich.

FRAU. Hast du etwa nicht alles durchdacht?

MANN. Ich hab es natürlich durchdacht, aber…

FRAU. Das Abendbrot ist im Kühlschrank. Vergiss nicht, morgens deine Tabletten zu nehmen und ,bevor du gehst, die Schuhe zu putzen.

MANN. Ich sage dir noch einmal - du brauchst dich nicht so zu beeilen.

FRAU. Küsse mich zum Abschied.

Sie küssen sich.

MANN. Ich möchte dir sagen, dass…

FRAU. Hier sind die Schlüssel. Mach´s gut. (Geht.)

Mann läuft zerknirscht durch die leere Wohnung. Das Telefon klingelt. Der Mann nimmt ab.

MANN. Hallo, ach das bist du. Grüß dich Spätzchen. Nein, ist nichts passiert. Nein, ich bin allein. Ja, ich habe mit ihr gesprochen, aber sie weigert sich kategorisch, in die Scheidung einzuwilligen….. Ich bin verzweifelt. Wenn wir uns treffen, werden du und ich alles beraten. Nein, natürlich nicht heute. Von heute kann gar keine Rede sein. Morgen habe ich auch keine Zeit. Diese Woche habe ich sowieso sehr viel zu tun. Besser in circa 10 Tagen. Ja, in zwei Wochen. Oder in drei. Ich habe dir doch gesagt, dass ich viel zu tun habe. Habe ich letzten Endes das Recht, mich endlich einmal mit meinen eigenen Angelegenheiten zu beschäftigen? Du hast zuerst in einem solchen Ton gesprochen… Wie du willst. Wie du willst. Auf Wiedersehen. (Wirft den Hörer hin.)

 

 

Ende des Dramoletts „Familienszenen