Valentin Krasnogorov
Drei Schönheiten
Komödie in zwei Akten
Aus dem
Russischen von Albrecht D. Holzapfel
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(7)-812-699-3701; (7)-951-689-3-689 (cell.)
(972)
53-527-4146, (972) 53-527-4142
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valentin.krasnogorov@gmail.com
http://krasnogorov.com/english/
Übersetzung: © Albrecht D. Holzapfel 2015 Jalta/UA,
Herrenberg/D
E-Mail: ruvyk@mail.ru
Über den Autor
Der Name Valentin
Krasnogorov ist Theaterliebhabern in Russland und vielen anderen
Ländern bekannt. Seine Stücke , die in mehr als 400 Theatern
aufgeführt werden, finden bei Kritikern
und Zuschauern sehr positive Aufnahme. Die
Aufführungen in mehr als 700 Amateurtheatern zeugen von der großen
Beliebtheit des Dramatikers. So herausragende Regisseure wie Georgy
Tovstonogov, Lev Dodin und Roman Viktyuk arbeiten an
den Produktionen seiner Stücke.
Mit gleichem Können
kreiert er Multi-Act- und One-Act-Stücke verschiedener Genres - Comedy,
Drama, Tragödie. Die Spannungen und Konflikte seiner Stücke werden
durch lebhaften Dialog und schnelles Handeln gelöst. Der Autor verwendet
paradoxe Situationen und ungewöhnliche Handlungen, um Leser und Betrachter
in die Welten zu ziehen, die durch seine Vorstellungskraft geschaffen werden.
Scharfe Satire, subtiler Sinn für Humor, Groteske, Absurdität, Lyrik,
tiefes Eindringen in die menschliche Natur - das sind die Hauptmerkmale von Krasnogorovs Werken.
Die
Stücke des Dramatikers sind fest im Repertoire der Theater verankert und
halten Hunderten von Aufführungen stand. Kritiker bemerken, dass
"Krasnogorovs Stücke leicht Grenzen überschreiten" und dass
sie "zu den besten zeitgenössischen Stücken gehören".
Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen übersetzt, in Theatern, in Radio
und Fernsehen in verschiedenen Ländern (Australien, Albanien, England,
Bulgarien, Deutschland, Indien, Zypern, Mongolei, Polen, Rumänien,
Slowakei, USA, Türkei, Finnland, Montenegro, Tschechische Republik) aufgeführt
und erhielten Preise bei ausländischen
Theaterfestivals, darunter den "Preis für das beste Drama" und
den "Publikumspreis". Krasnogorov fungiert auch als Prosaschreiber
und Publizist, Autor von Artikeln über Theater, Novellen, Kurzgeschichten
und Essays, die in verschiedenen Publikationen veröffentlicht wurden.
Valentin
Krasnogorov ist Präsident der St. Petersburger Dramatiker-Vereinigung.
Einer der Gründer der Gilde der russischen Dramatiker Gild. Seine
Biografie ist in den Nachschlagewerken der Welt enthalten: "Who is Who in
the World" (USA), "International Who is Who in the
Intellectuals" (England, Cambridge) usw.
Krasnogorovs Buch „Grundlagen der Dramaturgie. Theorie,
Technik und Praxis des Dramas“ wurde von namhaften Persönlichkeiten
des Theaters gelobt. Er ist außerdem Gründer und erster
Präsident der Dramatists Guild of St. Petersburg.
32 Übersetzungen von
Krasnogorovs Stücken in Englisch, Französisch und Deutsch sind jetzt
als Amazon-E-Books erhältlich.
Kurzbeschreibung
Drei Freundinnen, einsame Frauen im „goldenen Alter“, beschließen,
ihr Schicksal zu verändern und sich Lebensbegleiter zu suchen. Diese
warmherzige Komödie überzeugt den Zuschauer davon, dass Jahre kein
Hinderungsgrund für die Suche nach Liebe und Glück sind. Drei
altersgemäße Frauenrollen, Einrichtung. Das Stück wurde
erfolgreich in Theatern aufgeführt und in Fremdsprachen übersetzt.
Handelnde Personen
Die Handlung spielt
in unseren Tagen.
Alle Szenen spielen
im Wohnzimmer von Larisas Wohnung.
LARISA: Gerade in
unserem Alter braucht man einen Mann. Wer, wenn nicht er, hilft ab und zu, den
Rücken einzureiben, eine Kompresse anzulegen oder in die Apotheke zu
gehen?
INNA: Ich versteh
nicht, brauchst du einen Mann oder einen Krankenpfleger?
LARISA: Wozu einen
Krankenpfleger? Ich bin selbst Krankenschwester. Ich brauch einen Ehemann.
INNA: Dann sag das
auch so!
LARISA: Das sag ich
auch. Versteh doch, es gibt solche Seiten des Lebens, wo ein Mann durch nichts
und niemanden zu ersetzen ist.
MAJA: Sehr wichtige
Seiten, übrigens.
INNA: Vielleicht
hören wir jetzt auf, von Männern zu reden?
MAJA: Gut. Hören wir auf. (Nach kurzem Schweigen.) Ich will dich nur fragen: Was weißt du eigentlich
von Männern, um so auf sie sauer zu sein. Schließlich und endlich
sind nur wenige schlechter, als Frauen.
INNA: Ich bin nicht
sauer auf sie. Ich bin sauer auf euch. Bildet ihr euch denn tatsächlich
ein, dass es euch gelingt, einen Ehemann zu finden?
MAJA: Warum nicht?
Früher hab ich Männer ohne besondere Schwierigkeiten gefunden.
INNA: Das wissen
wir. Ich hab mich dreimal auf deinen Hochzeiten amüsiert. Und dich genau
so oft bei den Scheidungen getröstet.
MAJA: Danke, dass
du mich an die genaue Zahl erinnert hast. Sonst hätte ich sie vergessen
können.
INNA: Wenn du von
genauen Zahlen redest, dann meinst du natürlich nur deine offiziellen
Ehen. Die inoffiziellen zu zählen wird schwierig sein, denke ich.
MAJA: Ach, ach,
ach! Unsere Vestalin entrüstet sich. Wie kannst du nicht begreifen, dass
jetzt alles anders wird. Und zum vierten Mal zu heiraten ist einfacher, als das
erste. Erfahrung sammelt sich an.
INNA: Deine
Erfahrung hätte dich lehren können, dass jede Ehe schnell zerbricht.
Ein sehr kurzer Augenblick des Rauschs und eine sehr lange Periode der
Ernüchterung.
MAJA: Sogar ein
kurzer Rausch ist die Sache wert.
INNA: Höchste
Zeit, nüchtern zu werden. Erinner dich, wie du dich mit drei Scheidungen
gequält hast.
MAJA: Dafür
gab es auch dreimal Flitterwochen. Schon für einen davon war es wert, ein
bisschen zu leiden. Besonders erinner ich mich an die erste Nacht der zweiten
Heirat. Das war im Hotel…
INNA: Maja, die Erinnerungen
an deine Hochzeitsnächte interessieren mich überhaupt nicht.
MAJA: Sehr gut!
Dann erzähl ich dir alles genau und offen. Das war im Hotel, wir hatten
ein bisschen getrunken, und ich konnte einfach die Knöpfe seines Hemds
nicht finden…
INNA: Offenbar habt
ihr nicht nur ein bisschen getrunken.
MAJA: … Und er
konnte den Reißverschluss meines Kleids nicht finden…
INNA: Ich stell mir
vor, was weiter passiert ist, du brauchst nichts zu erzählen.
MAJA: Gut, ich werd
nicht. Und als er ihn endlich gefunden hatte, konnte er ihn nicht aufmachen.
Und dann, weißt du, was er danach gemacht hat?
INNA: Um Gottes
Willen, verschon uns von deinen intimen Einzelheiten.
MAJA: Mit einem
Wort, das war einfach super.
INNA: Kein Zweifel.
MAJA: Ehrlich, drei
Wochen später haben wir uns getrennt, insofern waren die Flittermonat
etwas verkürzt. Aber ihr könnt sicher sein, die Monatsnorm haben wir
erfüllt… (Fügt nicht ohne
Bitternis dazu.) Aber das ist lange her.
INNA: Ich
hab´s geahnt, dass es nicht gestern war.
MAJA: Aber trotzdem
ist es angenehm, sich daran zu erinnern. Solche Erinnerungen ermuntern zu
entschlossenen Taten. Ich bin überhaupt ein Mensch der Tat.
INNA: Sagt mal,
sind wir denn so einsam? Wir gehen doch auch zusammen ins Theater, und rufen
uns fast jeden Tag an.
MAJA: Ein
großer Trost. Ich wusste gar nicht, dass ein Telefonanruf einen Mann
ersetzen kann.
INNA: Das reicht,
über Männer zu reden. Die sind für uns in ferner Vergangenheit
geblieben.
MAJA: Red du mal
nur für dich selbst. Bei mir persönlich steht alles bevor. Ich hab
nicht vor, die Hände in den Schoß zu legen.
INNA: Also, ich
kapier einfach nicht, was mit euch passiert ist. Schweigen, schweigen, und
plötzlich: „Wir wollen einen Mann!“
LARISA: Du hast
doch selbst damit angefangen. Wer hat das Gespräch auf die „Freuden der
Liebe“ gebracht?
INNA: Aber das war
doch die Fürstin Metternich!
MAJA: Und weil wir
keine Fürstinnen sind, empfinden wir auch schon nichts mehr?
INNA: Ich hab
einfach keine Worte.
MAJA: Inna, beruhig
dich. Ich zieh dich doch nur auf. Die Hauptsache sind natürlich nicht die
Freuden der Liebe, oder das Bett, obwohl auch das nicht schadet. Sache ist die,
dass wir unser Leben von Grund auf und radikal ändern müssen.
Andernfalls lähmen uns der Alltag, Fernsehserien und Krankenhäuser.
Was ist schlecht daran, wenn wir uns hier nicht zu dritt, sondern zu sechst
treffen?
INNA:
Natürlich ist dabei nichts Schlechtes, aber…
MAJA: Und dazu muss
man handeln. Man darf das ewige Streben der Frau nicht vergessen: Den
Männern zu gefallen.
INNA: Mit anderen
Worten, du hast vor, sie zu angeln. Aber das sich doch einfach unanständig.
MAJA: Wir leben im
einundzwanzigsten Jahrhundert. Der Begriff Anstand existiert jetzt nicht mehr.
LARISA: Maja hat Recht.
Wenn sie uns, warum auch immer, nicht angeln wollen, dann muss man das selber
machen.
INNA: Ich kann die
Frauen nicht verstehen, die Männern nachjagen. Man braucht doch das
Selbstwertgefühl der…
MAJA: Wir haben ja
auch nicht vor, zu jagen. Wir erlauben einfach den Männern uns zu jagen.
INNA: Die warten
doch alle nur voller Ungeduld auf unsere Erlaubnis. Sonst hätten sie schon
längst angefangen.
MAJA: Inna, Hab
keine Angst, wir verstoßen nicht gegen die Spielregeln. Wir wenden unsere
weiblichen Methoden an: Netze auswerfen, Fallen stellen…
INNA: Aha, das
heißt, dass ihr trotzdem selbst angelt.
MAJA: Warum denn
nicht? Ohne Aufwand fängst du auch keinen Fisch im Teich, nicht zu reden
von einem Ehemann.
INNA: Larisa,
räum den Cognac weg, sonst betrinkt ihr euch noch so, dass ihr nicht mehr wisst,
wovon ihr sprecht. Ich schäm mich für euch.
MAJA: Wir
verstehen, du bist Lehrerin und das ganze Leben daran gewöhnt,
irgendjemanden zu erziehen. Aber wir haben daran keinen Bedarf.
INNA: Erziehen?
Dich? Das hatte ich nicht vor. Ich weiß doch, dass das zwecklos ist.
MAJA: Na,
wunderbar. Weißt du, warum du dich aufregst? Weil du dasselbe denkst, wie
wir, aber Angst hast, es zuzugeben. Wir sind nur offener, als du.
INNA: Trotz deiner
ganzen reichen Vergangenheit habe ich dich für eine ordentliche Frau gehalten.
Ich bedaure, dass ich mich getäuscht habe.
MAJA: Kann sein,
dass ich nicht ordentlich bin, aber eine Frau. Aber du hast in dir die Frau
vollkommen unterdrückt und bist absolut geschlechtslos geworden. Die
Fleischwerdung einer langweiligen Wohltäterin. Jungfrau von Orleans.
INNA: Wenn ich dich
mag, dann deshalb, weil du nie die Gelegenheit auslässt, einem Menschen
ein gutes Wort zu sagen und seine Stimmung zu heben.
MAJA: Und ich dich
für die erstaunliche Fähigkeit, ohne jeglichen Anlass tödlich
beleidigt zu sein.
INNA: Kennst du die
fernöstliche Weisheit: „Wenn du sprichst, dann sollen deine Worte besser
als Schweigen sein“.
MAJA: Also, dann
schweig. Dein andauernder Pessimismus geht sehr auf die Nerven.
INNA: Optimismus,
besonders in unserem Land und in unserer Zeit ist ein Anzeichen von Dummheit.
MAJA: Wenn es dir
nicht gefällt, mit Dummköpfen zusammenzusitzen, dann geh nachhause
und red mit deiner Katze.
LARISA: (Versucht den Streit zu beenden.) Aber Mädchen!..
INNA: (An
Maja.) In
deinem Alter wäre es an der Zeit, klüger zu werden
MAJA: Und
dafür bist du exakt, wie ein Uhrwerk.
INNA: Das reicht,
ich hab genug gehört. (Steht auf und
nimmt ihre Handtasche.) Auf Wiedersehen. Ich hab hier nichts mehr zu tun.
LARISA: (Besorgt.) Halt, wo gehst du hin? Maja! Inna! Jetzt
habt ihr gestritten und euch ereifert, jetzt beruhigen wir uns. Inna, bleib stehen! (Versperrt
ihr den Weg.)
Bleib,
sag
ich
dir!
INNA: Wozu? Damit du mich an die Wand hängst und ich die Zeit anzeige? Und
wenn es sein muss, kann ich auch ticken.
LARISA: Red keinen
Unsinn.
MAJA: Warum
„Unsinn“? Das sind die ersten gescheiten Worte, die sie den ganzen Abend gesagt
hat.
LARISA: Maja, na,
du bist gut! Inna, leg die Tasche weg! Setzt euch beide! (Setzt
Inna.) Sitzt, und ich koch inzwischen Tee. (Geht
in die Küche hinaus.)
(Pause.)
MAJA: Inna, ich
will sagen… Es tut mir leid.
INNA: (Schaut zur Seite.) Mir auch.
MAJA: Du kennst
mich doch… Ich red schneller, als ich denk.
INNA: Ich hab auch
mehr gesagt, als nötig war.
(Larisa tritt ein.)
LARISA: (Erhebt das Glas.) Ich will unseren
traditionellen Toast aussprechen.
MAJA: Und welchen
genau? Wir haben viele davon.
LARISA: Trinken wir
aus und vergessen wir alles!
INNA: Genau das
wollten wir vorschlagen.
(Sie trinken.)
LARISA: Nun, habt
ihr es wirklich vergessen?
INNA: Aber es war
doch gar nichts.
LARISA: Sehr gut.
Dann also, werden wir uns Ehemänner suchen, oder nicht?
INNA: Mädchen,
schaut in den Spiegel. Viel zu spät.
MAJA: Je
später wir heiraten, desto weniger Zeit bleibt uns, es zu bedauern.
LARISA: Inna, wenn
du nicht willst, zwingt dich auch niemand.
MAJA: Inna, du bist
viel zu klug und deshalb auch Pessimistin. Und Larisa und ich sind dumme
Frauen, uns gelingt alles. Wir denken nicht über Schwierigkeiten nach,
sondern krempeln die Ärmel hoch und nehmen die Sache in die Hand.
LARISA: Womit
beginnen wir?
MAJA: Zuerst
müssen wir uns in Ordnung bringen.
LARISA: Was meinst
du damit?
MAJA: Einfache
Dinge: Frisör, Massage, Masken, Cremes, Kosmetik…
LARISA: Das ist
teuer.
MAJA: Wir
können sparen. Ich mach dir die Maniküre, und du mir die Massage.
LARISA:
Einverstanden.
MAJA: Es wäre
auch nicht schlecht, morgens Gymnastik zu machen.
LARISA: Das ist
nichts für mich.
MAJA: Für mich
auch nicht. Aber wir müssen uns wenigstens einen, zwei Monate lang zwingen,
solange wir nicht heiraten. Danach können wir es aufgeben.
LARISA: (Geht zum Spiegel.) Ja, jetzt bin ich
nicht mehr jene von damals… Erinnert ihr euch, was ich für eine
Schönheit war?
MAJA: Du bist auch
heute nicht schlecht.
LARISA: Ach was. Von
all dem ist nichts geblieben.
MAJA: (Besieht sich ebenfalls im Spiegel.) Ja,
eine grundlegende Renovierung schadet nicht. Oder wenigstens eine kosmetische.
LARISA: Dazu
braucht man ganz schön Geld.
MAJA: Wenn ich Geld
hätte, wär ich schon heut´ Abend verheiratet. Im Grunde
genommen brauch ich nur ganz wenig, um gut auszusehen. Gesicht und Hals
verjüngen, Bauch liften, Hüften schmälern… Und noch den
Rücken auskurieren, dann bin ich auf der Höhe.
INNA: Kurz gesagt,
du willst wieder eine Dreißigjährige werden. Aber Wunder geschehen
nicht.
MAJA: Wunder
geschehen, man muss nur daran glauben. (Besieht
sich weiter im Spiegel.) Was denkt ihr, steht mir diese Haarfarbe? Ich hab
so oft die Haarfarbe gewechselt, dass ich mich nicht mehr daran erinner, was
für eine ich im Original bin, Blondine oder Brünette.
INNA: Mir scheint,
du bist jetzt eine Graue.
MAJA: Aber keine
Spur! Wie kommst du darauf?
INNA: Jedenfalls,
als ich dich im letzten Jahr im Krankenhaus besucht hab, warst du völlig
grau.
MAJA: Blödsinn.
Ich hab damals einfach die Haare grau gefärbt. Und mir stand das sehr.
INNA: Wenn dir grau
gefällt, hör auf, dich für Farbe zu verausgaben.
LARISA: (Vor dem Spiegel.) Aber ich werd mich
färben. Helle Haare verjüngen.
INNA: Bei euch
drehen sich die Gedanken jetzt nur um eins: Wie den Männern zu gefallen.
MAJA: Nur diese
Gedanken zwingen die Frau dazu, in Form zu sein.
INNA: Und ihr habt
daran gedacht, wo ihr in eurem Alter Kavaliere finden könnt?
LARISA: Wenige
Geschiedene, was denn? Oder Wittwer?
INNA: Die haben
euch sehr nötig. Männer unseres Alters suchen sich keine
Gleichaltrigen, sondern jüngere Mädchen.
LARISA: (Zu Inna, mit einiger Sorge.) Willst du
sagen, dass ein Mann, mit dem wir rechnen können, um zehn - fünfzehn
Jahre älter sein wird, als wir?
INNA: Mindestens.
MAJA: Kann man denn
so einen noch Mann nennen?
INNA: Nun, wenn ihr
euch Frauen nennt, warum ihn dann nicht Mann nennen?
MAJA: Eine Frau ist
in jedem Alter eine Frau. Aber ein Mann - das wisst ihr selbst.
INNA: Und sogar so einen
zu finden wird nicht einfach sein.
MAJA: (Energisch.) Kein Problem, das schaffen
wir. Man muss nur an sich glauben.
INNA: Ich glaube
sehr an dich, und nicht weniger an Larisa. Aber trotzdem, wo genau werdet ihr
sie suchen?
MAJA: Wo´s
beliebt.
INNA: Was
heißt „wo´s beliebt“. Werdet ihr auf Tanzveranstaltungen gehen?
Euch auf den Höfen an die Dominospieler heranschleichen? Oder in Kneipen
hinein schauen, ob es dort nicht einen freien Platz an einem Tischchen gibt?
MAJA: Warum
ausgerechnet in Kneipen? Man kann sich im Theater kennenlernen.
INNA: Was für
ein Mann geht denn in diesem Alter ins Theater, dazu noch alleine? Und wirst du
dann durch die Reihen gehen und fragen: „Meine Herren, gibt es vielleicht hier
einen alleinstehenden Mann? Möchte er sich vielleicht mit mir bekannt
machen?“
LARISA: Nicht
wenige Rentner sitzen auf Bänkchen auf den Plätzen. Man kann dazu
gehen, sich daneben setzen, ein Gespräch anfangen…
INNA: Wenn er das
Hörgerät nicht vergessen hat. Meine Liebe, wenn er schon mit dem
Stock auf der Bank sitzt, wozu brauchst du ihn dann noch? Und wo hast du denn
heutzutage Männer auf Bänkchen gesehen? Es gibt dort keine.
LARISA: Wo sind sie
denn, deiner Meinung nach?
INNA: Dort, wo auch
die Frauen sind, - vor dem Fernseher. Jeder bei sich daheim. Außerdem
besteht das Problem nicht nur darin, einen zu finden, sondern dass er auch zu
dir passt.
MAJA: Herzensdinge
waren in der Jugend wichtig. Aber jetzt wissen wir, dass man mit jedem
beliebigen Mann leben kann. Sie unterscheiden sich letzten Endes nur wenig.
INNA: Man darf
nicht den heiraten, mit dem man leben kann. Man muss den heiraten, ohne den man
nicht leben kann!
LARISA: Du
Idealistin. Aber in der Praxis muss man den heiraten, den man findet.
MAJA: Umso mehr,
als dich niemand daran hindert, zu heiraten und trotzdem weiter zu suchen.
INNA: Ich
persönlich bin nicht in der Lage, mich an jeden daher Gelaufenen zu
hängen.
LARISA: Lieber sich
an irgendjemanden zu hängen, als sich einfach aufzuhängen.
MAJA: Ich versteh
nicht, Inna, warum du aus einer einfachen Bekanntschaft ein Problem machst.
Früher haben wir uns doch auch bekannt gemacht, und wie einfach! Und jetzt
haben wir noch mehr Erfahrung.
LARISA: (Nicht besonders überzeugt.) Erfahrung
haben wir mehr… Aber Erfahrung stellt sich immer ein, wenn es schon zu
spät ist, sie einzusetzen.
INNA: (An Maja.) Interessant, wann du dich
leicht bekannt gemacht hast?
MAJA: Nun… Zum
Beispiel, als ich am Institut studiert habe…
INNA: Na und, werd
Aufsicht im Studentenheim, schaust dir einen Studenten aus, angelst ihn.
MAJA: Wenn man dich
hört, bleibt nur eine Variante: Einen Mini anziehen und auf den Strich
gehen.
INNA: Dann eher
noch ins Altenheim.
LARISA: Wir sind in
einem ungünstigen Alter: Auf den Strich ist es schon zu spät und ins
Altersheim noch zu früh.
MAJA: Was sollen
wir denn tun? Doch nicht an jedem Laternenpfahl eine Anzeige aufhängen:
„Will heiraten“.
INNA: Wartet mal,
wartet… Das ist eine Idee!
LARISA: Was meinst
du?
INNA: Vielleicht
habt ihr am Ende doch recht. Wollt ihr euer Schicksal beeinflussen, dann
handelt. Wie sagte Balzac, „Wer Millionen such, findet sie sehr selten.
Dafür findet der sie nie, der sie nicht sucht.“ Also, sucht eure
Millionen, und ich helf euch dabei.
LARISA: Was denn,
schlägst du tatsächlich vor, Anzeigen an Pfosten zu kleben?
INNA: Weshalb an
Pfosten? Man muss mit der Zeit Schritt halten. Es gibt Internet.
LARISA: Internet?
Ich hab keine Ahnung, wie man damit umgeht.
INNA: Macht euch
keine Sorgen, ich mach alles an eurer Stelle: Veröffentliche eine Anzeige,
suche Kandidaten aus, beginne einen Briefwechsel mit ihnen... Euch bleibt nur,
zum Rendezvous mit ihnen zu kommen und sie zu bezaubern.
LARISA: Und du
glaubst, dass es solche gibt, die in dem Alter Internet benutzen?
INNA:
Natürlich. Und wenn nicht sie, dann ihre Kinder und Enkel, die endlich
ihren Vater oder Großvater unterbringen wollen.
MAJA: (An Inna.) Na gut, das kann man ja mal
versuchen. Wähl nur die Kandidaten nicht nach deinem Geschmack aus,
sondern nach unserm. Ich brauche erstens einen Mann, der ein Mann ist,
zweitens…
INNA: (Unterbricht sie.) Keine Sorge, ich
kenne deine Vorlieben. Hauptsache - die Freuden der Liebe.
MAJA: Nicht ganz,
aber das auch.
LARISA: Mich
überzeugt diese Idee irgendwie nicht. Im Vorbeigehen, ohne ihn in die Hand
zu nehmen, kauf ich nicht mal einen Staubsauger. Ich muss eine Sache auf jeden
Fall mit meinen Händen berühren.
MAJA: Zuerst find
die Sache und dann berühr.
LARISA: Ich hab
Angst vor Leuten aus Anzeigen. Zurzeit ist alles voller Heiratsschwindler. Bevor
du so einen ins Haus holst musst du zuerst alle Wertsachen verstecken. Die
kommen, schauen sich alles an und rauben dich aus.
INNA: Larisa,
übertreib nicht. Das Risiko bei einer Bekanntschaft über das Internet
ist genauso groß, wie im richtigen Leben. Außerdem, bevor du einen
Menschen nicht gut kennst, brauchst du ihn auch nicht ins Haus einzuladen. Die
ersten Treffen macht man im Café oder im Park. Zweitens ist das Internet
auch deshalb gut, weil man weder seinen richtigen Namen noch die Adresse nennen
muss. Nimm dir einen beliebigen Decknamen, zum Beispiel, „Rose“, „Vergissmeinnicht“,
oder „Schlanke Eberesche“ und schreib deinen Männern so viel du willst,
solange du kein Vertrauen zu ihnen spürst.
LARISA: Das nimmst
am besten du auf dich.
INNA: Kein Problem,
ich hab doch gesagt, dass ich helfe.
LARISA: Und
trotzdem, lieber aus Liebe heiraten.
MAJA: Ich hab
dreimal aus Liebe geheiratet, und werd diese Dummheit nicht mehr wiederholen.
Das rat ich auch dir.
LARISA: Denkst du?
MAJA: Sicher. Und
außerdem hat noch keiner ein besseres Mittel gegen Liebe erfunden, als
Heirat.
LARISA: (An Inna.) Nun gut, einverstanden.
INNA: Also dann,
gleich zur Sache. (Holt aus der
Handtasche Papier und Kugelschreiber.) Was werden wir in den Anzeigen
schreiben? Maja, beginnen wir mit dir. Diktier!
MAJA: (Verlegen.) Was diktieren?
INNA: Ich
weiß nicht… Irgendwas Nettes, Lustiges… Sonst sind sich neun von zehn
Anzeigen ähnlich wie ein Ei dem anderen.
MAJA: Nun… Gut…
Schreib: „Junge, anziehende Frau…“
INNA: Na, du machst
vielleicht Spaß… Wenn dich ein Mann beim Treffen sieht, denkt er, dass
nicht die Braut, sondern deren Mutter gekommen ist. Oder Großmutter.
MAJA: Was soll ich
denn deiner Meinung nach schreiben? „Alte Schachtel sucht Mann, um sich
gemeinsam von Hexenschuss zu kurieren“?
LARISA: Maja, Inna
hat Recht. Es lohnt nicht, sich in den Anzeigen schöner und jünger
darzustellen, als wir sind, es kommt eh alles ans Licht, wenn sie uns sehen.
MAJA: Vielleicht
schaffen sie es nicht, bis zur Hochzeit alles herauszufinden.
LARISA: Du
weißt doch, ich mag es, die Wahrheit zu sagen.
MAJA: Ich mag es
auch, die Wahrheit zu sagen. Aber nicht die ganze, nicht immer und nicht allen.
Zuerst muss man heiraten und dann die Wahrheit sagen. So machen es alle.
INNA: Die
Schwierigkeit besteht nicht darin, einen Ehemann zu finden, sondern ihn zu
behalten.
MAJA: Macht nichts,
für lange brauchen wir schon nichts mehr.
INNA: Also gut,
diktier, was du willst. Mir ist es letzten Endes egal.
MAJA: Schreib:
„Jugendliche, anziehende Frau…“ Ich hoffe, dass du gegen „jugendlich“ nichts
hast.
INNA: Nichts. Was
weiter?
MAJA: ( Stockend.) Kann ich zuerst ein
bisschen überlegen?
INNA: Bitte.
Larisa, auf geht´s, dann du solange.
LARISA: (Verlegen.) Nun, ich weiß nicht…
INNA: Auf
geht´s, keine Angst! Mit deinen Worten. So, dass ein Mann davon angezogen
wird.
LARISA: Was kann
ein Mann wollen?
MAJA: Und du bist
so alt geworden und weißt es nicht?
LARISA: Was denkt
ihr, über Größe und Gewicht schreiben? Man sagt, ein Mann im
Alter liebt vollschlanke Frauen. Damit alles an ihnen ist.
MAJA: An mir ist
alles. Sogar mehr,
als
nötig.
Ich kann davon abgeben.
LARISA: Männer
lieben auch, wenn daheim alles in Ordnung ist.
MAJA: Und dabei die
ganze Arbeit auf uns abwälzen. Außerdem mögen sie trinken,
Seitensprünge, grundlos beleidigt sein, endlos streiten und so weiter und
so weiter.
INNA: Stopp! Im
Gegensatz zu euch bin ich keine Spezialistin in Sachen Männer und
weiß nicht, was sie lieben, aber dafür weiß ich, was sie nicht
lieben. Zum Beispiel, Frauen, die zu viel klatschen.
MAJA: Anspielung
kapiert. Kehren wir zur Tagesordnung zurück. Larisa, diktier deine
Anzeige.
LARISA: (Wählt, ohne sich zu beeilen, die Worte
aus.) „Ruhige, häusliche, fürsorgliche Frau, fähig, im Haus
Wärme und Gemütlichkeit zu schaffen, möchte einen Mann um die
Sechzig heiraten.“ Das ist
alles.
INNA: Sehr gut. Nicht
fröhlich und nicht lustig, aber gut. Nur die Heirat brauchst du nicht zu
erwähnen. Das schreckt Männer ab.
LARISA: Und was
dann?
INNA: Nun, etwas in
der Art „möchte einen Mann für eine feste, dauerhafte Beziehung
kennen lernen“. Oder „will ihr Schicksal mit einem interessanten Mann
verbinden“. Den Text arbeite ich noch aus. Und jetzt, wie du ihn haben willst?
LARISA: Nun, ich
möchte, dass er gesund, gutmütig, klug und kultiviert ist, gut
verdient… Und dass er ein Mann ist.
INNA: Nicht
kleinlich. Und warum nicht noch hinzufügen „jung, großgewachsen,
schön und Nichttrinker“?
LARISA: Ja, und?
INNA: Naiv, zu
denken, dass so ein Mann existiert, ungebunden und wartet nur auf deine
Anzeige.
LARISA: Aber die
wichtigsten Qualitäten sollte er doch haben.
INNA: Dann heirat
gleich mehrere! Einer ist gutmütig, der andere kultiviert, der dritte
kräftig, der vierte Nichttrinker und so weiter.
MAJA: Kluge Frauen
machen das auch so. Sie beschränken sich nicht auf einen Mann.
LARISA: Ich will
einen, aber einen guten.
MAJA: Ich auch,
vielleicht will ich einen gut versorgten Ehemann, ein schönes Leben,
Restaurants und schicke Kurorte. Das heißt, all das, was ich mein ganzes
Leben lang nicht gesehen hab. Aber, da ich weiß, dass das nicht sein
kann, werde ich auch keine wählerische Braut spielen. Soll kommen, der da
kommt.
MAJA: Muss man ein
Foto beilegen.
INNA: Wie du
willst.
MAJA: Ich hab ein
Foto, auf dem ich vor meiner Hochzeit bin.
INNA: Vor welcher?
Falls vor der letzten, dann kann man dich noch einigermaßen erkennen.
LARISA: Und ich hab
gerade daran gedacht, ob mich der Ehemann nicht betrügen wird?
MAJA: Natürlich
wird er. Er kann doch nicht sein ganzes Leben lang mustergültig sein!
LARISA: Aber das
ist schrecklich!
MAJA: Warum? Ich
persönlich hab nichts dagegen, wenn irgendein Ehemann seine Frau
betrügt, falls er das mit mir tut. Und überhaupt, wenn alle
Männer treu wären, dann wäre das Leben sehr langweilig. Mit wem
würden wir dann Affären beginnen?
INNA: (Unerwartet seriös.) Denkst du,
eine Affäre mit fremden Männern „anzufangen“, um deinen Ausdruck zu
benützen, ist so angenehm?
MAJA: Warum nicht?
Was ist denn dabei?
INNA: Nichts.
LARISA: Ich werd
nicht ruhig schlafen, wenn ich weiß, dass mir mein Ehemann nicht treu
ist.
MAJA: Dann
bemüh dich, das nicht zu wissen, und du wirst ruhig schlafen.
INNA: Larisa,
meiner Meinung nach ist es ein bisschen verfrüht, sich über die
Untreue eines noch nicht existierenden Ehemanns Sorgen zu machen.
LARISA: Aber ihr
wisst doch, was mit mir passiert ist. Ich hab mit zweiundzwanzig geheiratet,
und mein Mann hat mich geliebt – ihr stellt euch nicht vor, wie! Es schien
fürs ganze Leben! Und dann hat ihn mir irgendeine Abschlepperin
weggenommen.
MAJA: Nicht immer
sind die, die einen Ehemann wegnehmen Abschlepperinnen. Ich hab meinen zweiten
Ehemann auch seiner dritten Ehefrau weggenommen, aber ich hoffe, dass ihr mich
nicht für eine Abschlepperin haltet.
LARISA: Und als er
nach ein paar Monaten gebeten hat, zu mir zurückzukommen, da hab ich
Närrin ihn nicht hereingelassen. Und jetzt schreib ich Anzeigen. Deshalb
will ich nicht nochmal mit Untreue zu tun haben.
INNA: Du regst dich
umsonst auf. Mit dem Alter vergeht dieser Nachteil bei den Männern.
LARISA: Denkst du?
INNA:
Natürlich. Sie werden… weiser.
LARISA: Wenn man
nachdenkt, dann brauchen Männer eine Ehe eher, als wir. Wir kochen
für sie, waschen, geben Medikamente und alle anderen dreiunddreißig
Vergnügen.
MAJA: Und gerade wegen dieser dreiunddreißig Vergnügen.
LARISA: Da kannst
du von ihnen lange darauf warten.
MAJA: Und was ich
mir gedacht hab: Vielleicht reicht uns eine Anzeige? Auf sie können doch
zwanzig Leute antworten. Uns dreien reicht das.
INNA: Zwei. Ich bin
einverstanden, zu helfen, aber selbst werd ich euer Spiel nicht spielen.
MAJA: Umso besser.
Die Auswahl für Larisa und mich wird breiter.
INNA: (Denkt eine Weile nach und trifft eine
Entscheidung.) Also: Ich werd überhaupt nichts schreiben.
LARISA: (Erschreckt.) Willst du uns nicht
helfen?
INNA: Nein, warum
denn? Ich denke einfach, dass es besser ist, mit den Anzeigen der Männer
zu arbeiten. Davon gibt es im Internet wahrscheinlich tausende. Ich wähle
passende Kandidaten aus, beginne mit ihnen einen Briefwechsel, prüfe, was
das für Leute sind und serviere sie euch auf dem Tablett.
LARISA: Du bist
eine wirkliche Freundin! Das hab ich immer gewusst.
MAJA: Und ich geh
inzwischen selbständig auf Suche. Du hast doch nichts dagegen?
INNA:
Überhaupt nicht. Hast du eine Idee?
MAJA: Meine Cousine
drängt mich die ganze Zeit, mich mit irgendeinem Wittwer bekannt zu
machen.
INNA: Viel Glück dabei.
LARISA: (Verlegen.) Ich hab auch eine Idee.
MAJA: Was du nicht
sagst! Raus damit!
LARISA: Im Park
neben uns machen die Rentner morgens Dauerläufe. Keine jungen Männer,
aber dafür sportliche, kräftige.
INNA: Na, und?
LARISA: (Verlegen.) Also, ich denke, dass ich
einen auffälligen Trainingsanzug kaufen muss… Schöne Laufschuhe… Auf die
Laufbahn rausgehen… Einen sympathischen Sportler aussuchen…
MAJA: Und mit ihm
Fangen spielen, oder?
LARISA: Warum
nicht?
MAJA: Ich hab noch
nicht begonnen, mich selbst so zu verachten, um am helllichten Tag hinter
Männern herzulaufen. Ich bin gewohnt, dass sie hinter mir herlaufen.
LARISA: (Beleidigt.) In deinem Alter sollte man
einige Angewohnheiten ablegen.
MAJA: Was
heißt denn hier „mein Alter“?
LARISA: Du
weißt es selbst.
MAJA: Ich hab kein
„Alter“!
INNA: Streitet
nicht! Wir rennen alle drei hinter ihnen her! Wer schneller rennt, bekommt ihn.
LARISA: Hauptsache,
ihr habt etwas zu lachen, aber ich hab mir alles ausgedacht. Rennen muss man
gar nicht. Man braucht nur auf die Laufbahn zu gehen und zu warten. Sobald einer
auftaucht ein paar Schritte machen, hinfallen und sagen, dass man den Fuß
verstaucht hat… Er bietet Hilfe an, begleitet dich nachhause…Du bietest ihm Tee
an… Nun, und alles weitere je nach den Umständen.
MAJA: Nur am ersten
Abend gleich aufs Ganze zu gehen, rate ich nicht.
LARISA: Für
wen hältst du mich?
MAJA: Und biete ihm
keinen Tee an, sondern etwas von deinem Hausgemachten. Dann hast du ihn auf
jeden Fall sicher.
INNA: Wunderbarer
Plan. Glückwunsch. (Schaut auf die
Uhr.) Zeit, auseinander zu gehen... Wo treffen wir uns das nächste
Mal?
LARISA: Ich glaube,
Maja ist dran.
INNA: Das
heißt, wir werden wieder belegte Brote vom Pommes-Stand essen.
MAJA: Und wieder
Schnecken in meinen Gemüsegarten. Man könnte denken, meine belegten
Brote schmecken ihr nicht.
LARISA: Lasst uns
lieber wieder zu mir kommen. Ich koch doch gerne. Ich werd irgendetwas Leckeres
machen.
MAJA: Gut. Aber der
Cognac kommt dann von mir.
INNA: (An Larisa.) Dann also bei dir.
LARISA: Wann?
INNA: Sobald ich
wenigstens einen passenden Kandidaten für euch gefunden hab.
LARISA: Wie viel
Zeit brauchst du?
INNA: Nun, bis ich
das Internet durchstöbere, euch Kavaliere aussuche, mit ihnen Briefwechsel
beginne, sie gründlich überprüfe… ich denke, drei bis vier
Wochen.
MAJA: So lange?
INNA: Eile braucht
man nur beim Flöhefangen, aber nicht beim Männerangeln.
LARISA: Das stimmt.
INNA: Und ihr
handelt inzwischen selbständig. Larisa im Park, Maja mit ihrem Wittwer.
MAJA: Er
gehört mir noch nicht.
INNA: Das wird er,
daran zweifeln wir nicht.
LARISA: Das
heißt, wir treffen uns in drei Wochen. Einverstanden?
MAJA: Einverstanden. (Erhebt das Glas.) Auf den Erfolg der Sache!
Ende des ersten
Akts
Zweiter Akt
Zweite Szene
(Dasselbe Zimmer im Haus von Larisa. Die
Hausherrin sitzt im Trainingsanzug am Tisch so, dass sie nur bis zur Hüfte
zu sehen ist. Inna räumt Teller und Gabeln vom Tisch.)
INNA: Soll ich dir
Tee bringen?
LARISA: Ach, bemüh dich doch nicht. Ich mach dir eh schon zu viel
Mühe.
INNA: Von welcher
Mühe sprichst du? Einer Tasse Tee? Grünen oder schwarzen?
LARISA: Grünen. Der steht im linken Regal.
INNA: Ich
weiß. (Sie geht hinaus und kommt
schnell wieder mit dem heißen Tee zurück.)
LARISA: Danke.
INNA: Willst du ein
Stück Kuchen?
LARISA: (Schuldbewusst.) Keiner
da. Ich hab diesmal keinen gemacht.
INNA: Ich hab
welchen mitgebracht. Du bist doch eine Naschkatze.
LARISA: Prachtmädel! Du denkst einfach an alles.
(Inna nimmt aus
einer Schachtel Kuchenstücke und legt sie auf Teller. Maja kommt eilig und
sehr aufgeregt herein.)
MAJA: Grüß
euch!
INNA: Grüß
dich!
LARISA: Was ist mit dir?
MAJA: Könnt
ihr euch das vorstellen?
INNA: Noch nicht.
Was ist passiert?
MAJA: Irgend so ein
junger Flegel hat mir gerade im Bus den Platz angeboten. Ich war vor lauter
Aufregung ganz außer mir. Man könnte denken, dass ich so eine alte
Oma wäre.
LARISA: Nun, du hast dich natürlich nicht gesetzt.
MAJA: Natürlich
hab ich mich gesetzt. Ich steh doch nicht wie eine Blöde, besonders, wenn die
Beine nicht mehr mitmachen.
INNA: Ich denke, er
hat dir den Platz nicht frei gemacht, wie ein junger Mann einer Alten, sondern
wie ein Mann einer Frau.
MAJA: Das hab ich
mir auch überlegt. Deshalb war ich auch einverstanden, mich zu setzen.
INNA: (Hämisch.) Hat er dich nicht zum Dinner eingeladen?
MAJA: (Pariert.) Hat er, aber ich hab ihm
gesagt, dass ich eine Freundin hab, die sich langweilt und nur um drei Jahre
älter ist, als ich, und hab ihm deine Telefonnummer gegeben. (Larisa rückt während dieser
Unterhaltung etwas vom Tisch ab, und Maja bemerkt, dass ein Bein von der Ferse
bis zum Knie eingebunden ist.) Mein Gott, was ist mit deinem Bein?
LARISA: Ach… Nichts Besonderes.
MAJA: Hast du denn
einen Gips?
LARISA: Nein, das ist eine Bandage.
MAJA: Wie hast du
denn das gemacht?
LARISA: (Vom Thema abweichend.) Entschuldige, aber diesmal hab ich nichts gebacken. Aber Inna hat Kuchen
mitgebracht. Willst du Tee?
MAJA: Das lehne ich
nicht ab.
LARISA: Inna, bringst du bitte?
(Inna stellt
noch eine Tasse auf den Tisch und gießt Tee ein.)
MAJA: (An Larisa.) Hast du das schon lange?
LARISA: Seit einer Woche.
MAJA: Warum hast du
nicht angerufen?
LARISA: Wozu Alarm schlagen. Das ist nicht lebensgefährlich.
MAJA: Ich wäre
gekommen, um zu helfen.
LARISA: Ich wollte dich nicht beunruhigen. Du hast doch im Theater zu tun.
MAJA: Zurzeit bin
ich gerade frei. Ich hab mich mit dem Regisseur gestritten. Er hatte die
Frechheit, mir in dem neuen Stück die Rolle der Mutter anzubieten, aber
ich hab gesagt, dass ich mich erschieße und kündige, aber nicht eine
Frau älter als vierzig spielen werde.
LARISA: Alle Achtung, du kannst dich verteidigen!
MAJA: Wie kommst du
denn zurecht mit einem Bein?
LARISA: Inna ist jeden Tag gekommen und hat geholfen.
MAJA: Und die
Tochter?
LARISA: Nun, du weißt doch, wie beschäftigt sie ist. Mann,
Kinder, Arbeit…
MAJA: Wie ist es
denn passiert?
INNA: Erzähl
schon. Larisa, nur keine Bescheidenheit.
LARISA: (Ungern.) Es war im Park. Erinnerst du dich, ich sagte, dass ich versuche, dort irgendjemanden kennen
zu lernen?
MAJA: Und?
LARISA: Nun, ich hab einen Trainingsanzug gekauft, Turnschuhe, komme
morgens in den Park, nehm die Position auf der Laufbahn ein und warte. Ich seh,
irgendwer rennt in meiner Richtung. Und nicht nur einer, sondern gleich drei.
Dann beginn ich auch zu laufen, wie es geplant war, ein paar Schritte, verdreh
mir den Fuß und fall hin.
MAJA: Und sie?
LARISA: Und sie, einer nach dem andern, machen einen Bogen um mich und
rennen weiter. Wenn doch einer mir die Hand gegeben hätte oder gefragt,
was mit mir ist, warum eine Frau mitten auf der Laufbahn liegt. Ich liege und
denke: Eine Närrin bin ich, Närrin, wie komm ich jetzt nachhause?
MAJA: Hast du dir
denn tatsächlich den Fuß verdreht?
LARISA: Ja doch. Du weißt doch, dass ich nichts vortäuschen
kann.
MAJA: Also. Und
hast du lange da gelegen?
LARISA: Ziemlich. Dann kommt ein Kerl vorbei, mit der Schnauze eines
Alkoholikers. Und wenn er mir auch nicht gefallen hat, musste ich meinen Stolz
vergessen und um Hilfe bitten.
MAJA: Und er?
LARISA: Er hat mich geschickt.
MAJA: Wohin?
LARISA: Soll ich noch deutlicher werden?
MAJA: Dreckskerl. Und was war denn weiter?
LARISA: Ich hab schon jegliche Hoffnung verloren, als neben mir
plötzlich ein sehr freundlicher Mann angehalten hat. Er hat gefragt, was
los sei, hat mir die Hand gegeben, hat vorgeschlagen, dass ich mich auf seine
Schulter stütze und hat mich bis vors Haus geführt, oder besser
gesagt, geschleppt. Und auch dort hat er mich nicht alleine gelassen. Hat mir
geholfen, mich hinzulegen, hat den Arzt gerufen und ist erst danach gegangen.
MAJA: Also, das ist ein Mann! Sympathisch?
LARISA: Sehr! Höflich, aufmerksam, intelligent. Es hat sich
herausgestellt, dass er im Treppenhaus nebenan wohnt. Und am nächsten Tag
hat er mich wieder besucht.
MAJA: (Freudig.) Hurra! Das heißt, du hast nicht umsonst gelitten? Gratuliere!
LARISA: (Seufzt.) Er hat mich
zusammen mit seiner Frau besucht. Ebenfalls eine sehr angenehme Frau. Dabei sehr, sehr jung. Sogar jünger, als ich. Um ganze zwei Monate.
MAJA: (Nach einer Pause.) Was
soll´s, einen Mann ohne Makel zu finden ist schwierig.
LARISA: Also Maja, du hast dich mit dem Wittwer getroffen, den dir deine
Schwester gefunden hat?
MAJA: (Nicht besonders erfreut.)
Getroffen…
INNA: Ja, sie hat
ihn wahrscheinlich auch schon geheiratet.
MAJA: Sehr witzig.
LARISA: Also, was schweigst du denn? Erzähl! Aber ausführlich.
INNA: Wo habt ihr
euch getroffen? Im Restaurant?
MAJA: Wenn´s
doch so wäre…
LARISA: Und wo?
MAJA: Bei der Schwester. Sie hat uns den Tisch gedeckt und ging dann weg,
um eine intime Atmosphäre aufkommen zu lassen.
LARISA: Und dann?
MAJA: Was, „und dann“?
LARISA: Gab´s intim?
MAJA: Und was für eins.
LARISA: So erzähl doch. Warum muss man dir jedes Wort aus der Nase
ziehen?
INNA: Wie ist er
denn? Nicht schlecht?
MAJA: Nicht schlecht. Irgendwas zwischen Mopps und Kakerlake.
INNA: Du hast doch
versprochen, nicht wählerisch zu sein.
MAJA: Ich erinnere
mich. Deshalb bin ich auch ruhig sitzen geblieben.
LARISA: Inna, unterbrich sie nicht. (An
Maja.) Erzähl!
MAJA: Nun, was soll ich erzählen… Wir saßen so da, dann sagt er:
„Ich sehe, dass sie keine achtzehn mehr sind, keine fünfunddreißig
und sogar keine dreiundfünfzig.“
LARISA: So ein Schuft. Und du?
MAJA: Ich schweige.
LARISA: Und er?
MAJA: Und er macht weiter: „Nun, für mich ist das Alter
schließlich nicht die Hauptsache. Wir sind beide Erwachsene, die Zeit der
Romantik ist schon lange vorbei. Uns interessieren wichtigere Dinge.“ Ich
frage: „Nun, und was interessiert sie denn, zum Beispiel, an einer Frau?“ Er
antwortet: „An einer Frau interessiert mich alles, Wohnung, Verdienst, Wochenendhaus,
Auto, Schmuck…“
LARISA: Und du?
MAJA: Ich sag: „Eine Wohnung hab ich nicht, auch kein Wochenendhaus und
kein Auto, nicht jeden Monat einen Verdienst, aber ich hab eine Rente. Was den
Schmuck betrifft, so hab ich drei goldene Eheringe aus meinen früheren
Ehen, und der vierte kommt dazu, sobald Sie ihn mir schenken.“
INNA: Recht so, gut
gesagt! Und er?
MAJA: Und er… „Ehrlich gesagt“, sagt er, „Vermögen haben Sie kein
reiches“. Und ich hab ihn mir so angeschaut und sage: „Ich hab andere
Schätze“. Er hat sich gleich interessiert. „Und welche genau?” – „Zu
allererst Seele.“ – „Und außerdem?“ – „Und außer ihr Augen,
Hände, Schultern, Busen und noch etwas, und zwar etwas, was Sie nie
erreichen werden.“
LARISA: So gehört´s ihm! Und er?
MAJA: Er sagt: „Das alles haben auch andere Frauen.“ Und ich antworte ihm:
„Dann suchen Sie bei denen, falls Sie nicht vergessen haben, wo sich das alles
befindet.“
LARISA: Du bist wirklich nicht auf den Mund gefallen.
INNA: Ein schönes Früchtchen hat dir da deine Schwester untergeschoben.
MAJA: Besser gesagt, ein Schwein.
LARISA: Nun, und weiter?
MAJA: Nach der Information über meine materiellen Verhältnisse ist
er betrübt geworden und brummte vor sich hin: „Ich hab Sie mir bedeutend jünger
vorgestellt.“ Ich antworte ihm: „Und ich hab Sie mir genau so vorgestellt, wie
Sie sind: Alt und abgetragen.“ Er wurde beleidigt und sagt: „Wenn Sie denken
dass Sie noch ein Milchbrötchen sind, dann muss ich Ihnen sagen, dass
dieses Brötchen leicht vertrocknet ist. Und ich frage ihn: „Wenn das so
ist, warum haben Sie dann die ganze Zeit versucht, mich zu betatschen und
anzufassen?“
INNA: (Mit einem süffisanten
Lächeln.) Das Interessanteste hast du nicht erzählt. Hat er dich tatsächlich begrapscht?
MAJA: Natürlich! Aber ich hab mich gewehrt.
INNA: Das kann nicht sein!
MAJA: Was kann nicht sein? Dass ich mich gewehrt hab, oder dass er mich
begrapschen wollte?
INNA: Das eine, wie das andere.
MAJA: Lach so viel du willst, aber so war es.
INNA: Eine Frau soll sich bei einem Mann wie der Schiefe Turm von Pisa
verhalten: Es scheint, dass er gleich umfällt, aber er steht.
LARISA: Na gut, erzähl weiter. Was hat er dir geantwortet?
MAJA: “Ich habe Sie umarmt, um zu zeigen, dass ich als Mann noch zu etwas
zu gebrauchen bin.“ Ich antworte: „Aber es hätte nicht schlechter gelingen
können.“
LARISA: So gehört´s ihm!
MAJA: Und ich weiter: „Und was sind Sie denn für ein Mann? Ein
richtiger Mann sollte drei Metalle haben: Gold in der Tasche, Silber an der
Schläfe und Stahl… Und Stahl dort, wo er bei Ihnen schon lange nicht mehr
ist.“
INNA: (Ungeduldig.) Du brauchst
euer Gespräch nicht wortwörtlich wiederholen. Sag lieber, womit das
alles geendet hat.
MAJA: Nun, dann hat er gefragt: „Wo wohnen Sie?“ Und ich sag ihm ungelogen:
„Weit weg von Ihnen. Am anderen Ende der Stadt.“ – „Aber Sie wissen doch nicht,
wo ich wohne!“ Und ich antworte ihm ruhig: „Wozu sollte ich das wissen?“
INNA: Sehr gut. Nun, und weiter?
MAJA: Ich frage: „Warum interessiert Sie das eigentlich? Wollen Sie mich begleiten?“
Er antwortet: „Warum auch nicht?“ – Ich sag: „Gut, ich bin einverstanden, Aber
nicht weiter, als bis zur Tür.“
INNA: Hast du so eine feste Moral?
MAJA: Überhaupt nicht. Aber ich hab begriffen, dass sein Ziel gar
nicht war, mich zu verführen, sondern meine Wohnung zu besichtigen und zu
taxieren.
LARISA: Nun, und weiter?
MAJA: Aus.
LARISA: In welchem Sinn „aus“?
MAJA: Im Sinne von „nichts“.
LARISA: Also, alles oder nichts?
MAJA: Ich hab alles erzählt, und es war nichts. (Will aufstehen, setzt sich aber wieder und fasst sich an das
Rückgrat.) Verdammter Rücken!
LARISA: Tut er weh?
MAJA: Macht nichts, bis zur Hochzeit geht´s vorbei. (Reibt sich den Rücken.) Ich
fühl mich großartig. Inna, jetzt erzählst du. Hast du uns Bräutigame
gefunden?
INNA: Stell dir vor, ich hab.
MAJA: Wie viele?
INNA: Aus den zuverlässigen bisher nur einen.
MAJA: Was ist das für ein Mensch?
INNA: Wittwer. Dem Briefwechsel nach kein Mann, sondern Supermann. Sehnt
sich nach häuslicher Gemütlichkeit. Ich seh ihn für Larisa vor.
MAJA: Man könnte meinen, dass es bei mir zuhause ungemütlich ist.
INNA: Als ich mit ihm korrespondiert habe, hab ich irgendwie Larisa
dargestellt. Ich hab erzählt, wie ruhig ich bin, und freundschaftlich, und
dass ich sehr zurückhaltend bin, und was für ein leckeres
gefülltes Hühnchen ich zubereite… „Ich“ – bin in diesem Sinn Larisa.
MAJA: Wenn es sein muss, dann kann ich auch Hühnchen zubereiten.
Gegenüber von mir ist ein ausgezeichnetes Feinkostgeschäft.
INNA: Letzten Endes kann man euch auch austauschen. Im Briefwechsel hab ich
keinen Namen genannt.
LARISA: Maja, wenn du willst, nimm du ihn. Ich kann auch warten.
MAJA: Auf gar keinen Fall, ich brauch keinen Fremden. Ich kann auch warten.
Ein paar Tage.
LARISA: Und er hat ernste Absichten?
INNA: Ernste und sehr konkrete. (Schaut
auf die Uhr.) Gleich sollte er dir anrufen. Ich hab ihm absichtlich diese
Zeit genannt, wenn wir alle beisammen sind.
LARISA: (Erschreckt.) Warum hast
du wer weiß wem meine Nummer gegeben?
INNA: Keine Angst, ich hab ihn geprüft. Er ist ein bekannter Mensch.
Sein Name ist im Internet zu finden. Er ist Wissenschaftler, er hat nicht wenige
Arbeiten geschrieben.
LARISA: Wissenschaftler? Was werd ich mit ihm anfangen?
MAJA: Dasselbe, wie mit anderen Männern.
INNA: Maja meinte, dass du ihn verpflegen wirst. Gut essen lieben alle,
sogar Wissenschaftler.
LARISA: Und er ruft gleich an?
INNA: In dieser Minute.
LARISA: (In Panik.) Oh,
Mädchen, gebt mir einen Spiegel!
INNA: Wozu brauchst du einen Spiegel?
LARISA: Ich muss mich doch zurecht machen!
MAJA: Jetzt beruhig dich doch, er kommt doch nicht zu Gast zu dir, sondern
ruft nur an.
LARISA: Trotzdem, ich muss mich doch wenigstens frisieren. Maja, bring die
Bürste. Die ist im Bad.
MAJA: Will sich vom Stuhl erheben,
schreit aber vor Schmerzen auf.) Au!
INNA: Schon wieder ein Anfall?
MAJA: Das geht gleich vorbei. (Verharrt auf dem Stuhl.)
LARISA: Wie fühlst du dich denn?
MAJA: Ausgezeichnet! Ich kann nur weder stehen noch sitzen, noch den Kopf
drehen.
LARISA: Leg dich auf das Sofa, ich mach dir eine Massage.
MAJA: Liegen kann ich auch nicht. Das Sofa ist viel zu weit weg.
INNA: Soll ich dir helfen? Das sind doch nur zwei Schritte.
MAJA: (Sitzt aufrecht und
unbeweglich.) Nein, ich bin jetzt wie eine Bronzestatue. Aber die Lippen
kann ich noch bewegen, deshalb lasst uns unser interessantes Gespräch
fortsetzen. Hast du etwas gegen Schmerzen?
LARISA: Inna, Herzchen, bring die Tabletten. Die stehen bei mir im
Schlafzimmer.
INNA: Ich weiß. (Geht ins
Schlafzimmer.)
(Das Telefon
klingelt.)
LARISA: (Entgeistert.) Maja, das Telefon!
MAJA: Weshalb wunderst du dich so?
LARISA: Es klingelt!
MAJA: Na und? Man könnte meinen, du noch nie gehört, wie das
Telefon klingelt.
(Inna kommt
schnell herein und hebt den Hörer ab, aber in dem Moment hört es auf
zu klingeln.)
LARISA: (Betrübt.) Da hast du´s… (An
Maja.) Warum hast du nicht abgehoben?
MAJA: Und wie hätte ich das machen sollen?
LARISA: Entschuldige, ich hab´s vergessen. Versuch auf den Boden zu
kriechen.
MAJA: Wozu?
LARISA: Ich renke dir trotzdem die Wirbel ein. Inna, gib bitte die Krücken.
(Inna gibt Maja
eine Tablette und ein Glas Wasser. Maja nimmt die Tablette ein, und gleitet
dann mit Innas Hilfe vom Stuhl und legt sich auf den Boden. Inna gibt Larisa
die Krücken, die neben Maja her humpelt und mit der Massage beginnt.)
MAJA: Vorsichtiger! Das tut doch weh.
LARISA: Halt aus!
MAJA: Ärger dich nicht, er ruft nochmal an. Glaub mir nur, ich kenn die
Männer. Sie lieben gefülltes Hühnchen.
LARISA: Kann sein, oder auch nicht. Ehrlich, vor lauter Angst werd ich
nicht mit ihm reden können.
INNA: Sei doch nicht so verlegen. Du bist doch sowohl hübsch, als auch
angenehm. Weshalb solltest du schüchtern sein.
MAJA: (Immer noch auf dem Boden
liegend.) Larisa, du bist wirklich hübsch, aber du hast kein Feuer,
keinen Charme, keine Koketterie. Und Männer mögen das. Hier, schau
mich an: Ich bin ganz Flamme. Deshalb wirke ich auch anziehend auf sie.
LARISA: Lieg ruhig, Flamme, gleich tut´s weh. (Drückt energisch auf einen der Wirbel.)
MAJA: Au!.. Das tut wirklich weh.
LARISA: Versuch jetzt aufzustehen.
MAJA: Ich kann nicht.
LARISA: Steh auf, sag ich!
MAJA: (Maja steht vorsichtig auf.
Erleichtert.) Es ist weg. Du rettest mich wie immer. (Macht ein paar Schritte im Zimmer auf und ab, dann versucht sie ein
paar Tanzschritte.) Toll, ich lebe wieder! (An Larisa.) Steh auf! (Hilft
Larisa aufzustehen und setzt sie auf einen Stuhl.)
INNA: Ich geh Tee holen. (Geht
hinaus.)
(Das Telefon
klingelt.)
LARISA: (Erregt.) Es klingelt
wieder!
MAJA: (Kaltblütig.) Mir
schien es auch so.
LARISA: Schon zum zweiten Mal!
MAJA: Sehr richtig bemerkt. Ich wusste gar nicht, dass du bis zwei
zählen kannst.
LARISA: Heb den Hörer ab.
MAJA: Tanz, dann heb ich ab.
LARISA: (Sie nimmt die Krücken
und führt so etwas wie einen Tanz auf.) Hör auf! Ein drittes Mal
ruft er doch nicht an! (Maja nimmt das
Telefon und stellt es neben Larisa. Die schiebt es erschrocken von sich.)
Nimm und red an meiner Stelle. Du bist doch von uns die Gesprächigere.
MAJA: Sei nicht feige. Wart nur, ich stell den Lautsprecher an, damit du
auch hören kannst. (Schaltet am
Telefon den Lautsprecher ein.)
LARISA: Jetzt nimm doch den Hörer!
MAJA: (Nimmt ab.) Hallo!..
(Inzwischen
kommt Inna zurück.)
WEIBLICHE STIMME: Mama?
MAJA: Nein, Natascha, hier ist Maja.
WEIBLICHE STIMME: Guten Tag. Ist Mama zuhause?
MAJA: Ja, natürlich. Sie kommt gerade. (Gibt Larisa den Hörer.)
LARISA: (Freudig.) Töchterchen,
grüß dich!
WEIBLICHE STIMME: Wie geht´s dir?
LARISA: (Mit stolzer Stimme.) Alles
in Ordnung. Ich geh jeden Morgen spazieren, und heute Abend hat uns Maja zu
sich ins Theater eingeladen. Was gibt´s bei dir? Vielleicht kommst du mal
vorbei?
WEIBLICHE STIMME: Ich würd gern, Mama, aber ich bin furchtbar
beschäftigt.
LARISA: (Mit etwas gedämpfter
Stimme.) Ich verstehe.
WEIBLICHE STIMME: Mama, weshalb ich anruf: Kannst du mir nicht ein bisschen
Geld geben?
LARISA: Wie viel?
WEIBLICHE STIMME: Eigentlich brauch ich viel. Verstehst du, man hat mich zu
einem Bankett eingeladen, dazu muss ich mich einkleiden. Gib so viel du kannst.
Nun, wenigstens fünfhundert.
LARISA: „Wenigstens“? Gut, ich versuch sie zusammen zu kratzen.
WEIBLICHE STIMME: Danke, Mamalein. Ich ruf dir noch an. Küsschen.
(Der Anruf ist
beendet, Larisa legt den Hörer auf. Sie versucht, die Freundinnen nicht
anzusehen. Lange Pause.)
INNA: Maja, wie willst du den Tee?
MAJA: (Legt Larisa ihre Hand auf die
Schulter.) Mach dir nichts draus, es ist bei allen dasselbe.
(Das Telefon klingelt wieder.)
LARISA: Das ist sie. (Nimmt den
Hörer ab.) Natascha?
ANGENEHME MÄNNLICHE STIMME: Guten Tag.
LARISA: (Verwirrt.) Guten Tag.
MÄNNLICHE STIMME: Sind Sie die „Schlanke Eberesche“?
LARISA: (Verwundert.) Ich? (Inna nickt stark mit dem Kopf.) Aha.
Ich bin die Eberesche.
MÄNNLICHE STIMME: Endlich höre ich Ihre Stimme.
LARISA: Und ich Ihre.
MÄNNLICHE STIMME: Wie geht es Ihnen?
LARISA: Entschuldigen Sie, ich muss meine Brille aufsetzen. (Macht den Freundinnen Zeichen, damit jemand
von ihnen das Gespräch fortsetzt, aber die reagieren nicht darauf.)
MÄNNLICHE STIMME: Sie tragen Brille?
LARISA: Nein, eigentlich trage ich keine. Ich setz sie nur auf, wenn ich
telefoniere.
MÄNNLICHE STIMME: Weshalb?
LARISA: Weshalb? Das ist schwer zu erklären. Ich bin einfach sehr
schüchtern.
MÄNNLICHE STIMME: Und mit Brille sind Sie nicht schüchtern?
LARISA: Mit Brille bin ich auch schüchtern.
MÄNNLICHE STIMME: Sie scherzen, wie immer.
LARISA: Können Sie nicht in zwei Minuten nochmal anrufen?
MÄNNLICHE STIMME: Sind Sie beschäftigt? Vielleicht rufe ich
unpassend an?
LARISA: Nein, nein, passend. Mir brennt nur der Braten an… Das heißt,
ein gefülltes Hühnchen.
MÄNNLICHE STIMME: Gut, ich rufe zurück.
(Der Anruf
endet.)
LARISA: (Legt den Hörer auf.) Ich
bin so verwirrt geworden… Wahrscheinlich hat er mich für eine Vollidiotin
gehalten.
MAJA: Und er hat sich nicht sehr getäuscht.
INNA: Jetzt hab doch keine Angst. Aus dem Briefwechsel mit ihm hab ich
herausgefunden, dass er noch schüchterner ist, als du.
MAJA: Dann verabreden sie sich nie. Larisa, sei mutiger! Man sagt doch
nicht umsonst: „Wer sich vor dem Ehemann geniert, bekommt keine Kinder.“
LARISA: Ich kann mich nicht ändern. (Das Telefon klingelt. Nach einigem Zögern nimmt sie den
Hörer.) Ja?
MÄNNLICHE STIMME: Nun, wie ist Ihr Hühnchen?
LARISA: Welches Hühnchen? Ach, ja… Danke, gut. Das heißt… Nicht
angebrannt.
MÄNNLICHE STIMME: Kann ich kommen und versuchen?
LARISA: Nein, nicht diesmal. Es ist trotzdem nicht ganz gelungen.
MÄNNLICHE STIMME: Daran bin ich schuld.
LARISA: Ach, was denn… Das habe ich verpatzt.
MÄNNLICHE STIMME: Mir gefällt, dass Sie auch kochen mögen
und am Leben teilhaben: Sie beherrschen Computer, Internet…
LARISA: (Bemüht sich,
locker zu sein.) Wer beherrscht das heute nicht?
MÄNNLICHE STIMME: Welchen Browser verwenden Sie?
LARISA: Was?
MÄNNLICHE STIMME: Browser.
LARISA: (Denkt gequält
darüber nach, was sie antworten soll.) Ich verhüte nicht.
MÄNNLICHE STIMME: Und – Sie haben keine Angst vor Viren?
LARISA: Wenn man zufällige Kontakte vermeidet, dann sind Viren nicht
gefährlich.
MÄNNLICHE STIMME: Und trotzdem, ein Antivirus schadet nicht.
LARISA: In solchen Momenten setze ich eine Gazemaske auf.
MÄNNLICHE STIMME: Wie scharfsinnig Sie sind. Das habe ich auch aus
unserem Briefwechsel erkannt. Ich wollte Sie schon lange fragen: Sind Sie im
Facebook registriert?
LARISA: Wo?
MÄNNLICHE STIMME: Im Facebook.
LARISA: (Gerät wieder in Schwierigkeiten.) Nein, ich bin mit
niemandem registriert. (Hält mit der
Hand den Hörer zu und wendet sich erschreckt an Inna.) Ich begreif
überhaupt nichts. Red du für mich.
INNA: Er redet von Computern, weil er auch schüchtern ist. Du musst ihm
irgendwie Mut machen.
MÄNNLICHE STIMME: Hallo!
LARISA: Ja, ich höre Sie.
MÄNNLICHE STIMME: Ich möchte mich mit Ihnen treffen.
LARISA: (Hält den Hörer zu
und wendet sich an die Freundinnen.) Interessant, wohin er mich
einlädt, zu einem Rendezvous oder zu einem Computerkurs?
MÄNNLICHE STIMME: Hallo! „Schlanke Eberesche“, wohin sind Sie denn
wieder verschwunden?
LARISA: Ich bin hier. Nennen Sie mich einfach Eberesche. Erstens ist es
kürzer, zweitens, ich bin nicht ganz schlank.
MAJA: (Räuspert sich laut in Richtung
Larisa.) Wohin tappst du denn dauernd mit deiner Aufrichtigkeit?
MÄNNLICHE STIMME: Was sagen Sie dazu?
LARISA: (Völlig verwirrt.) Wozu?
(An Inna, wobei sie den Hörer mit
der Hand zuhält.) Ich fleh dich an, red du mit ihm.
INNA: (Auch laut flüsternd.)
Du bist doch kein Kind. Red selbst!
MÄNNLICHE STIMME: Hallo! Hallo! Die Verbindung wird irgendwie dauernd
unterbrochen. Ich wähle nochmal.
(Der Anruf wird
beendet Larisa legt den Hörer auf.)
MAJA: Larisa, du bist einfach unmöglich. Bist schüchtern wie ein
Schulmädchen.
INNA: Schulmädchen sind schon lange nicht mehr schüchtern.
LARISA: Mit ihm über Browser und Facebook reden kann ich nicht. Wahrscheinlich
ist er kein Normaler sondern ein Perverser.
INNA: Er hat per E-Mail sein Foto geschickt. Ein durchaus anziehender Mann.
LARISA: Ich kann ihm auch das Foto von Elisabeth Taylor schicken und drauf
schreiben, dass ich es bin.
MAJA: Sag ehrlich, dass du schüchtern geworden bist.
LARISA: Ja, ich hab Angst. Und zu einem Treffen mit ihm geh ich auf keinen
Fall alleine. Vielleicht ist er ein Betrüger? Gehst du mit mir?
MAJA: Vielleicht sollten wir uns, wenn du schon so schüchtern bist,
auch gemeinsam ins Bett legen? Ich bin nicht dagegen. Was macht man nicht alles
für die Freundin.
LARISA: Alleine geh ich nicht, und wenn ihr mich umbringt.
INNA: Wisst ihr was? Geht tatsächlich zu zweit. Erstens, Larisa hat
weniger Angst. Zweitens, falls es zwischen ihnen nicht funkt, dann passt er
vielleicht für Maja?
MAJA: Der passt. Ich bin überzeugt.
(Das Telefon
klingelt. Larisa schaut voller Hoffnung auf Inna. Nach dem Austausch von
ausdrucksvollen Mimiken nimmt Inna ungern den Hörer ab.)
MÄNNLICHE STIMME: Ich bin es wieder. Hören Sie mich jetzt gut?
INNA: Ausgezeichnet. Mir scheint, Sie sind nebenan.
MÄNNLICHE STIMME: Jetzt höre auch ich Sie gut. Ihre Stimme hat
sich sogar verändert. Übrigens, sie gefällt mir sehr.
INNA: (Mit unerwarteter Koketterie.) Und
mir Ihre. Ein richtiger männlicher, samtiger Bariton.
MÄNNLICHE STIMME: Sie lieben wahrscheinlich Musik?
INNA: Sehr, und Sie?
MÄNNLICHE STIMME: Auch. Gewöhnlich lade ich mir meine
Lieblingsmelodien aus dem Internet, weil…
INNA: (Unterbricht ihn.) Lassen
Sie uns vereinbaren, das Internet nicht zu erwähnen. Sie sprechen doch mit
einer Frau, finden Sie interessantere Themen. (Larisa nicht zustimmend mit dem Kopf.)
MÄNNLICHE STIMME: Sie haben Recht. Ehrlich gesagt ist das Internet
für mich die einzige Rettung vor Einsamkeit, deshalb rede ich davon in
passenden und unpassenden Momenten.
INNA: Dann lassen Sie uns doch beschließen, wie die Einsamkeit
gemeinsam zu überwinden ist.
MÄNNLICHE STIMME: Nur setzen wir dieses Gespräch bei einem
persönlichen Treffen fort, irgendwo, in einem Café. Sind Sie
einverstanden?
INNA: Guten Menschen schlage ich nichts ab.
MÄNNLICHE STIMME: (Zufrieden.) Wann?
INNA: In etwa einer Woche.
MÄNNLICHE STIMME: Warum so spät?
INNA: Ich bin wahrscheinlich noch nicht bereit. Das kam doch alles so
unerwartet… Rufen Sie solange nicht mehr hier an. Ich schreibe Ihnen selbst.
MÄNNLICHE STIMME: Gut.
INNA: Und versprechen Sie, bei dem Treffen nicht von Computern und
ähnlichen Dingen zu sprechen
MÄNNLICHE STIMME: Einverstanden.
INNA: Und noch: Sind Sie nicht dagegen, wenn ich mit einer Freundin komme?
MÄNNLICHE STIMME: Mit einer Freundin? Wozu?
INNA: Alleine werde ich beim ersten Treffen schüchtern sein.
MÄNNLICHE STIMME: Ich verstehe Sie. Kommen Sie mit wem Sie wollen.
Nur, wie errate ich, wer von Ihnen Sie sind?
INNA: Das sollten Sie fühlen.
MÄNNLICHE STIMME: Sagen Sie wenigstens Ihren Namen.
INNA: Sie wissen doch: „Schlanke Eberesche“.
MÄNNLICHE STIMME: Ich meine den richtigen Namen.
INNA: Den richtigen? „Wunderschöne Unbekannte“.
MÄNNLICHE STIMME: Der passt Ihnen sehr. Wie sehen Sie aus?
INNA: Ich sehe wie eine Frau aus, die wie fünfzig aussehen will.
MÄNNLICHE STIMME: Das Alter passt mir.
INNA: Ich hoffe, die Unbekannte wird Sie auch nicht enttäuschen. (Legt den Hörer auf.)
MAJA: Mann, du bist großartig. Ich hab nicht daran gezweifelt, wie
geschickt du die Männer verführst.
INNA: Für euch streng ich mich an.
LARISA: Was weiter?
INNA: Wir geben dir eine Woche zur völligen Besserung. Danach
verabrede ich mich gleich mit eurem Bräutigam, und wir kommen eine Stunde
vor dem Treffen im Café schnell hier zusammen. Ich geb euch letzte
Anweisungen, und ihr strebt eurem Glück entgegen.
MAJA: Inna, vergiss nicht in der Zwischenzeit auch mir irgendeinen zu
suchen.
INNA: Ich bin nur damit beschäftigt. Genug geklatscht, vor euch liegt
ein wichtiges Treffen. (Erhebt sich.) Damit
ihr mir in einer Woche bereit seid!
Dritte Szene
(Einige Tage
sind vergangen. Larisa, elegant angezogen, probiert nacheinander verschiedenen
Schmuck an und besieht sich selbstkritisch im Spiegel. Maja tritt ein,
ebenfalls sehr elegant.)
MAJA: Grüß dich!
LARISA: Grüß dich!
MAJA: Wie schick du bist! Man sieht, du hast die Zeit nicht ungenützt
gelassen. Du könntest gleich zur Hochzeit gehen. Dreh dich doch mal um! (Begeistert.) Klasse!
LARISA: Das sagst du, um mich zu trösten. Du hast dich doch selbst so
herausgeputzt. Klar, dass er dich auswählt.
MAJA: Warum mich?
LARISA: Weil du von uns beiden die Schönste bist.
MAJA: Ich bin nicht die Schönste. Ich kann mich einfach nur besser
pudern und schminken, als ihr. Ich bin schließlich Schauspielerin. Daran
gewöhnt, mich zu schminken. Ich kann sein, was du willst: Dümmliche
Blondine, verführerische Brünette… Ich kann naiv aussehen, erfahren,
temperamentvoll, kalt. Nur eine Magere darzustellen fällt mir jetzt
schwer.
LARISA: Was denkst du, stehen mir diese Perlen?
MAJA: Nein, Perlen wirken besser zu Dunklem. Außerdem sieht man, dass
sie künstlich sind. Du hast doch eine echte. Wo ist sie?
LARISA: (Etwas verlegen.) Verkauft.
MAJA: Dann steck deine prächtige goldene Brosche an. Die haut ihn von
den Socken.
LARISA: Die hab ich auch verkauft.
MAJA: Wann hast du das geschafft? Ich hab sie doch neulich bei dir gesehen.
LARISA: Verstehst du, Natascha brauchte Geld…
MAJA: Du brauchst nicht weiter zu erzählen. Nun gut, ich geb dir mein
Collier und versuch deine sogenannten Perlen anzulegen.
LARISA: Aber nicht doch. Das ist mir unangenehm…
MAJA: Mach dir nichts draus. Ich werd doch, wie man so sagt, auf der
Reservebank sitzen. Lass uns probieren, wie das aussieht.
(Die Frauen
tauschen den Schmuck aus und beschauen sich im Spiegel.)
LARISA: Ich frag mich, ob dieser Mann groß oder klein ist?
MAJA: Ist das so wichtig für dich?
LARISA: Natürlich. Wenn er klein ist, dann darf ich keine Schuhe mit
hohen Absätzen anziehen.
MAJA: Verflixt! Daran hab ich nicht gedacht. Ich hab die schönsten
angezogen. Sie drücken mich furchtbar, dafür sind die Füße
darin– eine Augenweide. (Besieht sich
selbstverliebt ihre Füße.)
LARISA: Ich hab schon fünf Jahre keine Schuhe mit Absätzen
angehabt. Die Füße tun weh.
MAJA: Halt aus, wie ich. Einmal in fünf Jahren kann man das doch
aushalten. Was denkst du, ist mein Kleid nicht zu offenherzig? Die Haut ist
doch nicht mehr so.
LARISA: Ich geb dir einen Chiffon-Schal. Leg ihn um den Hals, und alles
passt. Inna hat mir gesagt, dass sie extra ein Café ausgewählt hat,
wo kein so helles Licht ist.
MAJA: Prachtmädchen. Sie hat an alles gedacht.
LARISA: Mach mir inzwischen schnell eine Maniküre.
MAJA: Setz dich.
(Maja beginnt
Larisa eine Maniküre zu machen.)
LARISA: Als ich jung war hab ich gedacht, - warum denn die Frauen im Alter
so auf ihr Äußeres achten? Kleider, Kosmetik, Ringe… Und jetzt denke
ich, und wozu brauchen das junge Mädchen? Die sind doch auch ohne das
schön, schlank und glatt.
MAJA: In ihrem Alter verstehen sie nicht, dass sie irgendwann einmal alt
werden. Aber wir – wir verstehen das. Tatsächlich haben wir es bis zum
Alter noch sehr weit, aber trotzdem weniger, als früher.
LARISA: (Beschaut ihre
Fingernägel.) Denkst du, dass mir diese Farbe steht?
MAJA: Zu deinem Kleid passt nichts besser.
LARISA: Du hantierst so geschickt. Wie ein Profi.
MAJA: Ich bin überhaupt geschickt. Lass uns eine Vereinbarung treffen:
Wen er auch immer von uns auswählt, wir werden nicht beleidigt miteinander
sein. Gut?
LARISA: Versteht sich von selbst… Inna verspätet sich anscheinend.
MAJA: Wir brauchen sie doch eigentlich auch nicht. Den Ort kennen wir, die
Zeit auch.
LARISA: Aber man muss uns doch einweisen. Sie hat ihm doch lange
geschrieben, und wir wissen nichts über ihn. Und wer weiß, was er
über mich weiß?
MAJA: Das werden wir dort erfahren.
LARISA: Nein, Inna muss mich unterrichten. Ich hab keine Ahnung,
worüber ich mich mit ihm unterhalten soll.
MAJA: Sag ihm bloß nicht, dass du in Rente bist.
LARISA: Und wenn er fragt, wer ich bin?
MAJA: Schau ihn so an – nun, du weißt schon – und sag: „Was bedeutet
das schon. Für Sie bin ich einfach eine Frau“.
LARISA: Ich kann keine „solchen“ Blicke machen.
MAJA: Sehr schlecht. Sag, dass du Schauspielerin bist.
LARISA: Aber Schauspielerin – das bist du.
MAJA: Nun, wenn nicht Schauspielerin, dann Künstlerin.
LARISA: Und plötzlich fragt er, wo man meine Arbeiten sehen kann
MAJA: Das ist gut so. Schon habt ihr einen Grund zum Reden und sich bekannt
zu machen. Sag, dass alle an private Sammler verkauft sind.
LARISA: Meiner Meinung nach passt einem nicht mehr jungen Mann eine
Krankenschwester eher, als eine Künstlerin. Und, das weißt du doch,
ich kann nicht lügen.
MAJA: Befrei dich von diesem Mangel. (Beendet
die Maniküre.) Also, deine Fingerchen sind fertig.
LARISA: Danke. (Wedelt mit den
Händen, damit der Lack schneller trocknet.) Trotzdem, ich hab Angst
vor diesen Besichtigungen. Weißt du was? Geh ohne mich!
MAJA: Nein, das Recht auf die erste Nacht gehört dir. Der Freundin den
Bräutigam wegnehmen, werd ich nicht. Ich bin ein Luder, aber nicht in so
einem Maß. Außerdem bringt mich Inna dann um.
LARISA: Übrigens, wo ist sie denn?
(Inna kommt
herein.)
INNA: Hier bin ich.
LARISA: Endlich! Ich hab mir schon Sorgen gemacht.
INNA: Was seid ihr doch für zwei Schönheiten! Jetzt macht doch
mal eine Modenschau! (Larisa und Maja schreiten
wie auf dem Laufsteg und demonstrieren ihre Abendgarderobe.) Luxuriös. Einfach großartig. Das haut ihn um. Larisa, wo ist denn deine berühmte Schmetterlingsbrosche?
MAJA: Dort, wo auch das Kristall und die Perlen sind.
INNA: Verstehe. (An Larisa.) Damit verdirbst
du deine Natascha nur.
LARISA: Und was sollte ich tun? Ich will, dass sie mich lieb hat.
MAJA: Und was wird, wenn deine Reserven zu Ende gehen?
INNA: Na gut, das muss jetzt nicht sein. Seid ihr fertig?
LARISA: Ja, fast.
INNA: Dann hört zu. Er erwartet euch direkt am Tisch um sechs Uhr.
LARISA: Und wie werden wir ihn erkennen?
INNA: Die besonderen Kennzeichen sind folgende: Dunkelgrauer Anzug, blaue
Krawatte, kurze graue Haare.
MAJA: Graue – das ist schlecht.
INNA: Gut, Maja, ich werd das berücksichtigen. Dir such ich einen mit
Glatze aus. Und noch: In der Hand hält er ein Buch mit rotem Einband,
damit es auffällt.
LARISA: Wahrscheinlich ein Buch über Computer.
INNA: Nein, es sind Gedichte. Und überhaupt ist er kein
Computerfachmann, sondern Spezialist für Festkörperphysik.
LARISA: Umso besser.
MAJA: (Reckt die Schultern.) Und
wie ist er in Sachen „Teile des weichen Körpers“?
INNA: Lass deine Abgeschmacktheiten. Berücksichtigt, dass er eure
Namen nicht kennt. Schlanke Eberesche und ihre Freundin. Das ist alles. Also,
orientiert euch vor Ort.
MAJA: Und wie hat er sich selbst genannt?
INNA: Als er erfahren hat, dass mit ihm „Schlanke Eberesche“
korrespondiert, hat er sich „Hohe Eiche“ genannt. Offenbar mit der Anspielung
darauf, dass sie zu ihm kommen und sich auch mit schlanken Zweigen an ihn
schmiegen solle.
MAJA: Sehr geschmackvoll. Nun gut, wenn schon Eiche, dann schon Eiche.
LARISA: Gibt es Musik in dem Café?
INNA: Und Musik und Tanz.
LARISA: Schrecklich. Und wenn er plötzlich auffordert? Ich hab gut
dreißig Jahre nicht getanzt. Und das, was ich einst konnte, wird heute
nicht mehr getanzt.
MAJA: Reg dich nicht auf, ich denke, dass er auch nicht mehr jeden Tag in die
Discotheken springt.
LARISA: Lasst uns wenigstens den Tango wiederholen.
MAJA: Wer tanzt jetzt Tango?
LARISA: Und was tanzt man heute?
INNA: Keine Ahnung. Ruf deine Tochter an, frag die.
LARISA: Meiner Tochter ist auch schon lange nicht mehr nach tanzen. Ich ruf
lieber der Enkelin an.
INNA: Dann ruf doch an.
LARISA: (Wählt eine Nummer.) Grüß
dich Sveta. Wie geht´s?.. Ach, du hast´s eilig?.. Sag mir
bloß, was heute die Leute tanzen? Ich meine, welche Tänze?.. Wofür
ich das wissen will? Nun… Wir lösen Kreuzworträtsel. Sechs
Buchstaben. Weißt du das nicht? Und keine sechs Buchstaben?.. So…
Verstehe. (Legt den Hörer auf.)
MAJA: Also, was?
LARISA: Sie hat gesagt, dass es keine Bezeichnung gibt. Man tanzt einfach,
das ist alles. Wie sie gesagt hat, „jeder macht das, was er am besten kann“.
MAJA: Nun gut, umso besser. Üben wir? Mach Musik.
LARISA: (Schaltet Musik ein.) Wie
sollen wir denn tanzen?
MAJA: Im Freistil. Es ist doch gesagt worden, „jeder macht das, was er am
besten kann“. (Larisa und Maja beginnen
zu tanzen.) Inna, mach mit!
LARISA: Frischen wir das Alte auf.
(Die
Schönheiten tanzen, zuerst langsam, dann kommen sie in Fahrt und bewegen
sich immer temperamentvoller und schneller. Inna macht unwillig mit. Der Tanz
endet. Die Frauen fallen kraftlos auf das Sofa und in die Sessel.)
INNA: (Wedelt sich mit einem
Fächer Abkühlung zu, den sie Larisa weggenommen hat.) Das war
vielleicht ein Tanz… Jene Fürstin Metternich sagte, als sie mit achtzig
Jahren lernte, Charleston zu tanzen: „Zu meiner Zeit konnte sich eine Frau
solche Körperbewegungen nur im Bett erlauben“.
MAJA: (Schwer atmend.) Das war
wunderbar… ich will nochmal. Larisa, gib mir eine Herz-Tablette und wir machen weiter.
INNA: Spart die Kräfte für den Abend auf, dort könnt ihr
euch austoben. Zeit, zu gehen.
LARISA: Schon? Ich hab Angst. Sag, worüber wir mit ihm reden sollen?
INNA: Worüber du willst.
MAJA: Hab doch keine Angst. Ich werd reden. An mir soll die Sache nicht scheitern.
INNA: Maja, stell bloß Larisa bei dem Treffen nicht in den Schatten. Du
bist immer im Vordergrund und dein Mund ist nicht zu schließen. Vergiss
nicht: Heute bist du nur die Freundin, die zweite Geige. Nur falls er Larisa
nicht passt aber dir gefällt, dann tauscht ihr die Rollen.
MAJA: Keine Angst. Larisa wird die erste Geige sein, aber ich kann doch
wenigstens Kontrabass sein.
LARISA: (Immer mehr von Angst
erfasst.) Ich werde keine Geige sein, weder erste noch zweite. Ich komm
dort ohne Inna überhaupt nicht zurecht. (Zu Inna.) Du hast mit ihm einen Monat lang korrespondiert, wer
weiß, worüber, und ich muss dort sitzen und die Ohren spitzen. Er
fragt: „Wissen Sie, wie viel heute Browser kosten?“ Und was soll ich antworten?
Du hast uns doch überhaupt nichts erzählt.
INNA: Das stimmt. Aber jetzt ist nichts mehr zu machen.
LARISA: Dann geh mit uns.
INNA: Ich? Du bist verrückt geworden. Zu dritt gehen?
LARISA: Und was ist dabei?
INNA: Larisa, komm zu dir! Ihm reicht das Geld nicht für vier.
LARISA: Ich werd bezahlen.
MAJA: Der bekommt einen Schlaganfall, wenn er das ganze Dreigespann zu
Gesicht bekommt.
LARISA: Ich werd nicht ohne Inna gehen, und aus! Und überredet mich
nicht.
INNA: Aber ich bin ja nicht mal angezogen. Ihr seid hier wie
Schaufensterpuppen herausgeputzt und ich wie eine graue Maus.
LARISA: Du bist auch so hübsch.
INNA: Du suchst doch vor lauter Angst nur einen Vorwand, zu kneifen.
MAJA: Wirklich, das ist nicht gut. Inna hat sich für dich bemüht,
hat einen Mann gefunden, und du zierst dich.
LARISA: Sagt, was ihr wollt, aber ohne Inna geh ich nicht. (An Inna.) Was macht es dir schon? Setz dich wenigstens ein Stündchen zu uns, bis wir uns
eingewöhnen.
MAJA: (An Inna.) Was soll man mit ihr machen? Geh an meiner Stelle.
INNA: Was heißt das, „an meiner Stelle“? Larisa, mach keinen
Blödsinn. Maja, gib ihr ein Beruhigungsmittel, sie zittert ja ganz.
(Maja gibt
Larisa einige Tropfen in ein Glas und reicht es ihr.)
LARISA: Maja, du hast dich vorbereitet, angezogen – und gehst nicht? Dann
geh ich auch nicht.
(Larisa setzt
sich, und an ihrem Blick sieht man, dass sie vor Angst gelähmt ist und
keine Anstalten macht, sich vom Fleck zu bewegen.)
INNA: Zum Teufel mit euch, gehen wir alle drei! Ich setz mich eine halbe
Stunde zu euch und geh dann heim.
LARISA: (Erleichtert.) Danke!
INNA: Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich nicht mit
euch eingelassen.
MAJA: Larisa, aber ich geh mit dir heim und übernachte hier, gut?
Natürlich nur, falls du ihn nicht zu dir einlädst.
INNA: Lasst uns endlich gehen, sonst kommen wir noch zu spät.
(Die Frauen
machen sich bereit zu gehen. Plötzlich bleibt Maja stehen.)
MAJA: Halt! Ein letzter Blick in den Spiegel.
(Alle stellen
sich vor dem Spiegel auf.)
INNA: Nun, Hals- und Beinbruch!
(Die Frauen
gehen hinaus.)
Vierte Szene
(In Larisas
Zimmer am selben Abend. Larisa und Maja treten ein. Sie kommen aus dem
Café zurück und sehen erregt und unzufrieden aus.)
MAJA: Na, Gott sei Dank haben wir uns nachhause geschleppt. (Sie wirft die Handtasche weg und humpelt
zum Sofa.) Als Allererstes muss ich diese verdammten Schuhe ausziehen. (Setzt sich aufs Sofa und zieht nicht ohne
Mühe die Schuhe aus, wirft sie zur Seite, atmet erleichtert auf und
massiert sich die Zehen.) Endlich!
LARISA: Tun sie weh?
MAJA: Was glaubst du denn? Mich kränkt, dass er nicht mal auf meine
Beine geschaut hat. Ich hätte Galoschen anziehen können.
LARISA: Mein Kleid hat er auch nicht beachtet. Wenigstens hat er nichts
dazu gesagt. Und ich hab den Gürtel so zugezogen, dass ich kaum atmen
konnte. (Öffnet ihren Gürtel.)
MAJA: Ich versteh überhaupt nicht, wohin Männer schauen.
LARISA: Vielleicht ist er mehr am Intellekt interessiert?
MAJA: Ach was, Frauen haben viel interessantere Anreize, als Intellekt.
Gut, wenn es hinten und vorne nichts gibt, dann schaltet man natürlich
ungewollt auf Kultur… Nein, ich bin von ihm enttäuscht. Ist das denn ein
Mann?
LARISA: Aber warum denn? Er ist sympathisch, höflich… Und ein
schönes Abendessen hat er bestellt… (Seufzt.)
Schade.
MAJA: Bedauerst du es sehr?
LARISA: Ehrlich gesagt, ja.
MAJA: Dann hat er dir also gefallen?
LARISA: Das ist es nicht. Nur, wenn du hoffst, dich vorbereitest und dann
mit leeren Händen da stehst…(Traurig.)
„Zu wissen, dass es dein Schicksal
ist, ewig alleine zu sein“.
MAJA: Du bist selbst schuld. Als er ganz zu Anfang gefragt hat: „Wer ist
denn von Ihnen „Eberesche?“, hättest du klipp und klar sagen sollen „ich!“
Aber du orakelst: „Wer Ihnen von uns dreien am besten gefällt, die wird die
Eberesche sein“.
LARISA: Und er antwortet so galant: „Sie alle gefallen mir”.
MAJA: Und da tritt Inna auf: „Sie sind sehr galant. Aber alle drei bekommen
Sie nicht“.
LARISA: Und er antwortet noch höflicher: „Das ähnelt dem Gericht
von Paris: Sie zwingen mich, zwischen drei Göttinnen auszuwählen“.
MAJA: Ja, der Anfang war schön. Aber danach…
LARISA: Ja, genau… Ein Abend der Überraschungen.
MAJA: Nach einem solchen Treffen muss man sich entspannen. Findet sich bei
dir irgendetwas dazu? Stell ´s auf den Tisch, jetzt trinken wir, wie es sich
gehört. Hier schaut keiner auf uns.
(Larisa stellt
Gläser auf den Tisch und gießt ein.)
LARISA: Also, trinken wir aus und vergessen alles?
MAJA: Nein, ich hab nicht vor, das zu vergessen. (Die Frauen trinken aus.) Aber wie sich Inna aufgeführt hat!
LARISA: Red bloß nicht davon.
MAJA: Da verlässt du dich einmal auf eine Freundin…
LARISA: Wer hätte das gedacht? Ich weiß nicht, wie ich mich
jetzt zu ihr verhalten soll.
MAJA: Du lässt sie ganz einfach nicht zu dir herein. Das ist alles.
Ich, zum Beispiel, will sie nicht mehr sehen.
(Inna tritt
ein. Sie ist immer noch im selben bescheidenen Kleid, hat sich aber irgendwie
verändert. Der Gang ist beschwingter, die Stimme weicher, um die Lippen
spielt ein Lächeln. Sie hält einen Blumenstrauß in den
Händen.)
INNA: (Freudig.) Grüß
euch! (Larisa und Maja antworten nicht.)
Ich hab mich ein bisschen länger im Café aufgehalten. Ihr habt die
Blumen vergessen. Wohin soll ich sie stellen? (Larisa und Maja schweigen weiter. Inna wird besorgt. Ihr Lächeln
verschwindet.) Was schweigt ihr denn?
MAJA: (Beachtet Inna demonstrativ
nicht und wendet sich an Larisa.) Lass uns trinken. Auf ordentliche Frauen.
Auf gute Freundinnen, die bereit sind, zu Hilfe zu kommen, auf bescheidene,
ernsthafte, auf die, die nicht hinter Männern her rennen, sondern vor dem
Computer sitzen oder Bücher lesen, die vom Pädagogischen Rat
genehmigt sind.
LARISA: Und du kennst solche Frauen? Ich persönlich hab keine solchen
getroffen.
MAJA: Dann trinken wir auf uns beide. Ehrlich gesagt sitzen wir nicht vor
Computern und kennen uns im Internet nicht aus, dafür betrügen und
verraten wir niemanden. Auf uns beide, Freundin!
(Beide
stoßen an und trinken.)
INNA: Mädchen, ich versteh nicht, seid ihr - beleidigt?
MAJA: Larisa, mir scheint, hier ist jemand.
LARISA: Das schien mir auch so.
MAJA: Hast du jemanden erwartet?
LARISA: Niemanden.
MAJA: Du hättest die Tür abschließen sollen. Kennst du
diese Person?
LARISA: Seh ich zum ersten Mal.
MAJA: Und, wie ich hoffe, zum letzten Mal. Erklär ihr, dass
Außenstehende hier nicht erwünscht sind.
INNA: Hört auf, Blödsinn zu machen. Womit seid ihr nicht
zufrieden?
LARISA: Und du fragst noch? Hast eine Vorführung veranstaltet, als ob
sie für mich wäre, und er hat von der ersten Minute an dir geklebt,
wie ein angebranntes Omelette in der Pfanne und hat sich den ganzen Abend lang
nicht losgerissen.
INNA: Aber ich bin doch nicht schuld, dass es so gekommen ist.
MAJA: Und wer ist schuld?
INNA: Hab ich denn mit ihm angebändelt? Mich aufreizend verhalten? Hab
mich herausgeputzt, wie ihr? Ich wollte doch überhaupt nicht gehen. Ihr
habt mich selbst mitgeschleppt.
LARISA: Und nichts desto weniger hast du mit ihm ununterbrochen geredet.
INNA: Ja, geredet. Aber worüber? Ich hab die ganze Zeit euch über alle Maßen gelobt.
MAJA: Und dafür hast du von ihm ein Kompliment bekommen: „Das, warum
Sie mir gefallen, ist Ihre Bescheidenheit“.
LARISA: Nein, nicht so. „Das, warum Sie mir NOCH MEHR gefallen, ist Ihre
Bescheidenheit“.
MAJA: Richtig. „Noch mehr“.
INNA: Ich seh im Moment nicht, worin mein Verbrechen besteht. Darin, dass
ich ihm gefallen hab?
MAJA: Und darin auch. Das hättest du nicht zulassen dürfen.
INNA: (Mischt sich ein.)
Wahrscheinlich hast du Recht.
LARISA: (Nach einem Schweigen.)
Sag ehrlich, und dir hat er auch gefallen?
INNA: (Verlegen.) Ja.
MAJA: Und du sagst noch, dass du unschuldig bist.
INNA: Ich hab selbst nicht bemerkt, wie das passiert ist. Er weiß so
viel, ist so scharfsinnig… Mir war es interessant mit ihm, ich hab mich von dem
Gespräch fesseln lassen… Wahrscheinlich bin ich wirklich schuldig. Ich
hätte aufstehen und gehen sollen.
MAJA: Die ganze Zeit hat sie sich als so fehlerlos dargestellt, hat uns so
energisch als leichtsinnig beschuldigt, und selbst, wie es sich zeigt, ist sie
bereit, sich ans erste Jackett zu kleben.
INNA: Ich hab mich an nichts geklebt. Ich hab ihm sogar meine Telefonnummer
nicht gegeben, und er kennt meinen Namen nicht.
MAJA: Hör auf zu heucheln und geh weg von hier.
(Pause.)
INNA: Wofür diese Härte? Hab ich eurer Meinung nach kein Recht auf Glück?
MAJA: Hast du nicht, wenn du es anderen wegnimmst.
INNA: Wenn du Larisa meinst, dann hab ich ihr nichts weggenommen.
Außerdem hat Larisa Kinder, Enkel, aber ich bin völlig einsam. Schon
so viele Jahre! Versteht ihr das denn nicht? Es gab eine Zeit, da hab ich noch
an die Zukunft geglaubt, irgendetwas erwartet, aber dann wurde klar, dass
Glück nicht etwas für mich ist. Und jetzt, wo eine winzig kleine
Hoffnung aufgekommen ist, vernichtet ihr mich dafür.
LARISA: Du hast doch selbst gesagt, wie gut es dir alleine geht.
INNA: Hab ich. Weil ich Angst vor neuen Enttäuschungen hatte. Und wer
einsam ist, den verrät und verstößt man nicht.
LARISA: Du machst dir Gedanken, weil du keine Kinder hast. Aber wenn du
welche hättest, glaubst du, dass es besser wäre? Hier, ich hab Kinder
und Enkel, aber bin ich etwa nicht einsam? Sie sind erwachsen geworden, und sie
brauchen mich nicht mehr. Sie kommen einmal im Jahr zum Geburtstag und
verschwinden bis zum nächsten Jahr.
INNA: Sollen sie einmal im Jahr kommen, sollen sie überhaupt nicht
kommen, aber wenigstens wissen, dass es ihnen gut geht, dass es sie gibt, dass du
nicht allein bist auf der Welt…
LARISA: Dafür verletzt dich ihre Undankbarkeit nicht. Ehrlich, ich
klage sie in nichts an. Wer erzieht die Kinder? Wir selbst. Deshalb bin ich auch selbst schuld.
MAJA: Was brüstet ihr euch mit eurem Unglück? Ich könnte
weinen, wenn ich euch zuhöre, aber
meine Wimpern sind getuscht. Nehmt euch ein Beispiel an mir: Ich erlaub mir
nicht, den Kopf hängen zu lassen. Wenigstens vor Leuten.
INNA: Du hast gut reden. Du arbeitest im Theater, du hast ein interessantes
Leben. Aber ich hab niemanden und nichts.
MAJA: Das ist es ja gerade, dass ich schon lange nicht mehr im Theater
arbeite. Die Theater werden reformiert, es gibt Kündigungen, dies und
jenes, kurz gesagt, mich hat man, wie man so schön sagt, auf Rente
gesetzt, mit anderen Worten, gefeuert. (Nachdem
sie dieses Geständnis heraus gerufen hat, wiederholt sie mit
zusammengepressten Lippen.) Hinauskomplimentiert haben sie mich aus dem Theater.
LARISA: (Tief betroffen.) Wann?
MAJA: Ach, bald ist es ein Jahr.
LARISA: Warum hast du uns denn nichts gesagt
MAJA: Wozu?
LARISA: Und wozu musstest du uns täuschen?
MAJA: Ich hab mich eher selbst getäuscht. Damit es leichter
würde. Stellst du dir vor, wie schrecklich das ist – sich plötzlich
auf der Straße zu befinden, sich überflüssig zu fühlen,
von niemandem gebraucht. Es gab zu tun, gab Pläne, Hoffnungen, Erfolge und
Enttäuschungen… Und was jetzt? Brei, Quark und Tabletten?
LARISA: Und ich hör noch: Du hast uns die ganze Zeit von deinen
erstklassigen Rollen erzählt, aber zu den Vorführungen nicht
eingeladen. Einmal bist du Lady Macbeth, ein andres Mal die Königin von
Frankreich…
MAJA: Was für eine Königin denn… Gut, dass keine Hexe, um Kinder
bei den Vormittagsvorstellungen zu erschrecken.
LARISA: Von was lebst du denn jetzt? Doch nicht etwa von der Rente?
MAJA: Du weißt doch: Die Rente ist nicht zum Leben, sogar für
eine anständige Beerdigung reicht sie nicht. Ich hab einen anderen Beruf
gefunden.
LARISA: Und welchen?
MAJA: Meister für Nagelservice.
LARISA: Und was ist das?
MAJA: Du hältst mit dem Leben nicht Schritt. So nennt man jetzt eine
Spezialistin für Maniküre.
LARISA: Vom Schauspiel zur Maniküre?
MAJA: Na und? Das ist angesehener und einträglicher.
LARISA: Schade.
MAJA: Mich braucht man nicht zu bedauern. Jeder muss sich irgendwann mal
von seinen bisherigen Dingen trennen. Viel schlechter ist etwas anderes. Ich
hatte, wie ihr wisst, ganze drei Ehemänner, aber Kinder – kein einziges.
Mal wollte ich nicht, mal wollten sie nicht, mal klappte es nicht… Am Ende
weder Arbeit, noch Ehemann, noch Kinder, noch Enkel. Mutterseelenalleine.
Deshalb bleibt nichts anderes übrig, als die Rolle der lustigen, gewandten,
verführerischen Löwin zu spielen, was unserer ach so fehlerfreien und
klugen Inna nicht gefällt. Aber ich betrüge Freundinnen wenigstens
nicht und nehme ihnen keine Männer weg.
LARISA: Maja, es reicht!
MAJA: Nein, es reicht nicht! Hast du vergessen, wie sie mich vor dem
Treffen eingewiesen hat? (Ahmt Inna
nach.) „Denk dran, Maja, heute bist du nur Freundin, zweite Geige“. Wie
kann uns jetzt diese dritte Geige in die Augen schauen?
INNA: Was geschehen ist, ist geschehen. Was soll ich denn jetzt machen?
MAJA: Was machen? Hast du das noch nicht begriffen? Weggehen. Du bist hier
unerwünscht.
LARISA: Maja!
(Maja
schweigt.)
INNA: Gut, ich geh. Und komm nicht mehr wieder. (Geht zum Ausgang.)
LARISA: Inna, wart doch, wohin gehst du?
(Inna bleibt
stehen, als ob sie wanken würde, geht dann aber doch schnell hinaus.)
LARISA: Was hast du angestellt. Scheint es dir nicht, dass wir uns wie
gewöhnliche Weiber benommen haben? Gibt es keinen Mann – herrscht
Freundschaft, gibt es einen Mann – herrscht keine Freundschaft.
MAJA: (Sie bereut schon.) Wahrscheinlich
war ich wie immer übereifrig und voreilig. Aber andrerseits, denk doch:
Die alte Jungfer, die Männerhasserin, und plötzlich schnappt sie dir
den Bräutigam vor den Augen weg.
LARISA: Ich glaub, du bist sauer, weil du selbst auf ihn spekuliert hast.
MAJA: Na gut, auf unseren gemeinsamen Bräutigam.
LARISA: Und wenn schon ehrlich, dann ist er genauso unser, wie ihrer. Und
sogar mehr, als unser. Denn sie hat ihn
doch ausgewählt und mit ihm Briefwechsel geführt… Klar, dass er mehr
zu ihr passt. Ich war zuerst auch sauer, hab aber begriffen, dass ich nicht
Recht hab.
MAJA: Du hast ein zu weiches Herz.
LARISA: Mein Herz ist so, wie es ist. Und sie tut mir leid. Sie ist klug,
treu, hingebungsvoll, und solche haben gewöhnlich kein Glück.
Verstehst du, was ich meine?
MAJA: Nicht besonders.
LARISA: Ja, richtig, du weißt ja gar nichts. Du hast damals in einer
anderen Stadt gearbeitet.
MAJA: Von was weiß ich nichts?
LARISA: Unwichtig.
MAJA: Red nicht in Rätseln.
LARISA: Sie glaubte, dass wir nicht dahinter kommen, aber ich hab´s zufällig
erfahren.
MAJA: Was hast du erfahren?
LARISA: Moment, ich ruf zuerst an. (Nimmt das Handy.) Inna? Komm zurück… Ich fleh dich an, sei nicht böse. Komm zurück,
ich bitte dich sehr. Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen. Nein, nicht am
Telefon. Komm… Maja? Maja ist schon gegangen. Sehr gut, ich warte. (Beendet das Telefonat.) Sie kommt
gleich.
MAJA: Nun, was wolltest du erzählen?
LARISA: Als sie dreiundzwanzig war, hat sie sich in einen verheirateten
Mann verliebt. Er hat mit ihr über Mozart gesprochen, über die
italienische Renaissance und über die Poesie, kurz über alles, nur
nicht über Heirat. Das heißt, über Heirat auch: Er sagte, dass
er seine Frau nicht liebe, dass er mit ihr praktisch nicht lebe, dass er sich
bald scheiden ließe, noch ein halbes Jahr, ein Jahr, bis das Kind
herangewachsen sei und so weiter. Kurz, er hat ihr Märchen erzählt.
Aber sie hat daran geglaubt und gewartet. Inzwischen, ungeachtet dessen, dass
er mit der Frau „nicht lebe“, kam irgendwie ein zweites Kind auf die Welt… Nun,
wie so üblich, immer dieselbe Geschichte. Und weißt du, wie lange
sich diese Verbindung hingezogen hat?
MAJA: (Zuckt mit den Schultern.) Zwei – drei Jahre?
LARISA: Vierzehn Jahre! Erst dann haben sie sich
endgültig getrennt. Danach hat sie noch fünf Jahre lang die Wunden
geleckt. Seit jener Zeit, glaub ich, hat kein einziger Mann sie mehr
berührt. Und sie geht ihnen aus dem Weg.
MAJA: Und das hat sie sogar vor uns verheimlicht?
LARISA: Sie ist stolz. Sie will nicht weggeworfen und unglücklich aussehen.
MAJA: Warum hast du mir das nicht früher erzählt? Ich hätte
mir viele dumme Scherze an ihre Adresse verkniffen… Und, weißt du was?
Wir hätten ihr diesen Mann sofort überlassen sollen. Wir beide waren
doch verheiratet, wissen wie das ist, aber sie nicht. Soll sie auch dieses
Glück schmecken.
(Inna kommt
herein. Als sie Maja erblickt, bleibt sie vorsichtig stehen.)
LARISA: Komm rein, komm rein!
INNA: (Auf der Schwelle stehend.) Du
wolltest mir etwas sehr wichtiges sagen.
MAJA: Inna, zuerst teil ich dir eine sehr wichtige Nachricht mit: Ich bin
eine Idiotin und ein Luder.
INNA: Das ist mir nicht neu.
MAJA: Ja? Mir schien, das weiß nur ich.
INNA: Und wenigstens noch zwei deiner Freundinnen und drei deiner von dir
abgehauenen Ehemänner.
MAJA: Du ärgerst dich zu recht. Ich hab mich scheußlich
benommen. Ich verachte mich.
INNA: Weißt du, was ich dir sage? Obwohl du eine
Idiotin und ein Luder bist, mag ich dich. (Geht auf Maja zu.)
MAJA: (Freudig.) Das heißt Frieden?
INNA: Was wollen wir denn ohne einander machen?
(Inna und Maja
umarmen sich.)
LARISA: (Freudig.) Das ist gut. (An Inna.) Setz dich, trink etwas!
INNA: Danke, ich will nicht.
LARISA: Aber wir beide haben einen Kleinen zu uns genommen.
INNA: Das seh ich.
LARISA: Du musst unseren Ausrutscher entschuldigen.
INNA: Alles in Ordnung. Wisst ihr was? Als ich von
euch wegging hab ich gedacht, wozu soll ich mein Leben ändern? Das endet
mit nichts Gutem. Und ich hab beschlossen, mich nicht mehr mit ihm zu treffen.
LARISA: Er wird dir schreiben.
INNA: Ich werd ihm nicht antworten.
MAJA: Er wird anrufen.
INNA: Aber er weiß meine Nummer nicht.
MAJA: Ich meine, du machst einen Fehler.
INNA: Mein ganzes Leben ist ein Fehler.
MAJA: Er ist ein Klassemann. Wie gemacht für dich.
INNA: Hört auf zu trinken, lasst uns Karten spielen. Das beruhigt uns
alle.
(Larisa
räumt den Tisch ab und teilt Karten aus.)
MAJA: Wer kommt heraus?
INNA: Larisa.
(Sie beginnen
zu spielen.)
LARISA: Zurzeit haben wir schöne Tage, nicht wahr? Der Flieder
blüht…
INNA: Ich mag den Frühling nicht.
MAJA: Ich auch nicht. Für uns hat der Herbst schon begonnen.
Allerdings kein goldener.
INNA: Schon kein Herbst mehr. Winter.
MAJA: Man muss jede beliebige Zeit und jedes Alter mit Dankbarkeit
annehmen. In unserem Herbst gibt es auch
seine Schönheit und seine Liebreize. Eine kurze aber wundervolle Zeit.
INNA: Ich weiß nicht, ob sie wundervoll ist, aber sie ist kurz.
MAJA: (Sie findet ihren Optimismus wieder.)
Macht nichts, dass der erste Pfannkuchen ein Klumpen geworden ist. Früher
oder später erreichen wir das Unsere.
INNA: Übrigens, Maja, ich hab es nicht geschafft dir zu sagen, dass
ich dir einen ausgezeichneten Bräutigam gefunden habe. Ich hab ihn passend
zu deinem Charakter ausgesucht. In ein paar Tagen will er dich in ein
Café einladen.
MAJA: Danke. Aber diesmal werd ich alleine zum Treffen gehen. Und in
anderen Schuhen.
INNA: Also, vielleicht ist es Zeit, nachhause zu gehen? Es ist schon
spät.
MAJA: Ja, Zeit auszuruhen. Der Tag war nicht einfach. (Steht auf, wobei sie sich den Rücken hält.)
LARISA: Wieder der Rücken? Tut´s weh?
MAJA: Ja. Besonders wenn ich lache.
LARISA: Du wolltest doch bei mir bleiben.
MAJA: Nein, ich fahr heim.
(Die Frauen
verabschieden sich. Das Telefon klingelt.)
LARISA: Das ist Natascha. (Sie nimmt
den Hörer ab.) Hallo?
MÄNNLICHE STIMME: Guten Abend. Entschuldigen Sie, dass ich so
spät anrufe, aber ich kann einfach nicht bis morgen warten. Ich hab schon
Sehnsucht nach Ihnen.
LARISA: (Verwundert.) Wem rufen
Sie denn an?
MÄNNLICHE STIMME: Liebe Eberesche, erkennen Sie mich nicht? Allerdings
haben Sie ein seltsames Telefon. Es verzerrt manchmal Stimmen.
LARISA: (Hält den Hörer
zu.) Er denkt, dass das Innas Telefon ist. Sie hat ihm doch keine andere
Nummer gegeben. Inna, sprichst du mit ihm?
(Inna
schüttelt ablehnend den Kopf.)
MAJA: Was fragst du sie denn noch? (Nimmt
Larisa den Hörer weg und drückt ihn Inna mit Gewalt in die
Hände.)
MÄNNLICHE STIMME: Hallo?
INNA: (Mit leiser Stimme.) Ja,
ich höre Sie.
MÄNNLICHE STIMME: Ach, jetzt habe ich Ihre Stimme erkannt.
INNA: Weshalb rufen Sie an?
MÄNNLICHE STIMME: Ich wollte nur sagen, dass Sie – diejenige sind, die
ich lange gesucht habe. Ich meine nicht das Internet und nicht diese Anzeigen…
Ich habe Sie das ganze Leben lang gesucht.
MAJA: (An Larisa, flüsternd.) Dreh
die Lautstärke zurück.
MÄNNLICHE STIMME: Hören Sie mich?
(Larisa nimmt
Inna den Hörer aus der Hand, schaltet den Lautsprecher aus und gibt Inna
den Hörer zurück.)
INNA: (Leise.) Ja, ich höre
Sie.
LARISA: (Zu Maja.) Gehen wir in
die Küche, du hilfst mir, das Geschirr zu spülen.
(Larisa und
Maja gehen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Inna spricht weiter am Telefon. Ihre
Stimme wird immer weicher, und in das Gesicht kehrt ein Lächeln
zurück.)
INNA: Danke… Das scheint Ihnen so. Sie kennen mich doch überhaupt nicht… Treffen? Gleich jetzt? Aber wir
haben uns doch erst vor ganz kurzem verabschiedet… Sie sind glücklich?
Wirklich? Ich auch…
(Das
Gespräch geht weiter, aber wir werden ihm nicht weiter zuhören,
sondern uns an dieser Stelle von unseren Schönheiten verabschieden und
ihnen Gesundheit und Glück wünschen.)
Ende